Scharfe Kritik aus den eigenen Reihen
Das steckt hinter der Ampel-Entscheidung zur Ukraine
19.08.2024 – 13:28 UhrLesedauer: 4 Min.
Kritik auch aus den eigenen Reihen in Deutschland, Sorge um die Zukunft in der Ukraine: Das bedeutet der Haushaltskompromiss der Ampel.
Am Wochenende sickerte der Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 durch. Zwölf Milliarden Euro sollen trotz wochenlanger Verhandlungen fehlen, die Hilfe für die Ukraine auf etwas mehr als die Hälfte zusammengestrichen werden. Neue Hilfen für das von Russland angegriffene Land sollen nicht mehr möglich sein.
Was bedeutet das genau? Und wie reagieren Kritiker und Unterstützer der Regierung – und Vertreter der Ukraine? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.
Im laufenden Jahr stellt Deutschland für die militärische Unterstützung der Ukraine knapp 7,5 Milliarden Euro bereit, für 2025 sieht die Regierung vier Milliarden Euro vor. Bereits bewilligte Mittel und Lieferungen sollen noch sichergestellt sein.
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Das zukünftige Problem ist, dass laut Medienberichten das Geld für die kommenden bereits weitgehend verplant ist. Neue Mittel soll es laut Finanzminister Christian Lindner zunächst nicht geben – es sei denn, die Antragssteller, also Außen- und Verteidigungsministerium, stellen sicher, dass „eine Finanzierung gesichert ist“, wie Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Kollegen Boris Pistorius (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) schreibt.
Nach entsprechenden Berichten erklärte allerdings am Samstag das Finanzministerium, dass es weiter gesprächsbereit sei. Bedarfe müssten aber konkret gemeldet und nachvollziehbar sein – bislang liege keine Bedarfsmeldung vor. Grundsätzlich setzt die Bundesregierung darauf, dass die Ukraine künftig stärker mithilfe von Zinsen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen unterstützt werden kann. 50 Milliarden Dollar sollen so frei werden. Wann das passiert, ist völlig unklar. Moskau spricht angesichts der Pläne von Diebstahl.
Darüber gehen die Meinungen auseinander: Interne Dokumente aus dem Verteidigungsministerium werfen dem Finanzministerium nach „Bild“-Informationen vor, nachträglich „die Spielregeln geändert“ zu haben. Das Finanzministerium dagegen verweist darauf, dass das Budget für das Jahr 2025 bereits überbucht sei. Zusätzliche Anträge des Verteidigungsministeriums sollen laut Medienberichten nicht mehr bewilligt werden – wohl auf Wunsch des Kanzleramts.
Zunächst bedeutet Lindners Forderung an die Koalitionspartner: Selbst, wenn sich die Lage in der Ukraine spürbar ändert, kann Deutschland nicht garantiert helfen. Neue Unterstützung muss zunächst klar finanziert sein.
Diese Nachricht kommt zu einem Zeitpunkt, an dem in der Ukraine dem Vernehmen nach bestimmte Waffen und Munition zur Neige gehen. Verschiedene Medienberichte verweisen beispielsweise auf ein Iris-T-Flugabwehrsystem, das aktuell zwar einsatz- und lieferbereit wäre, aber nun doch seinen Weg in die Ukraine nicht finden wird. Der Grund: Die Lieferung wäre offiziell ein neues Projekt gewesen, das neu angemeldet werden müsste und nicht finanziert ist.
Die Bundesregierung dementiert entsprechende Berichte allerdings. Sie seien falsch, betonten am Montag sowohl der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner als auch ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Die Ukraine erhalte zur Verfügung stehende Iris-T-Systeme.
Das Kanzleramt hat dem Eindruck widersprochen, sie wolle die Militärhilfe für die Ukraine zusammenstreichen. Es bleibe bei der Kanzler-Zusage, dass man die Ukraine militärisch so lange unterstützen werde, wie dies im Abwehrkampf gegen Russland nötig sei, betont der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Bilaterale Hilfe werde nur teilweise auf multilaterale Unterstützung umgestellt. Die deutsche Ukraine-Unterstützung wackele nicht, betont auch der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer.
Mehrere Ampel-Politiker kritisieren die Entscheidung scharf. Grünen-Verteidigungspolitikerin Sara Nanni erklärte der „Süddeutschen Zeitung“, sie käme „zur Unzeit“ und hätte „direkte Auswirkungen auf den Schutz der Zivilbevölkerung in der Ukraine“.
Der Chef des Außenausschusses, Michael Roth von der SPD, kritisiert: „Die ukrainische Armee ist erstmals seit Monaten wieder in der Offensive, das Land braucht nun den vollen Rückhalt seines wichtigsten militärischen Verbündeten in Europa, Deutschland. Stattdessen wirkt die Debatte über die künftige Finanzierung der Militärhilfen wie ein verkappter Rückzug Deutschlands aus der Verantwortung“, so Roth. „Wir können unsere Sicherheit nicht von Haushaltszwängen abhängig machen.“
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), schrieb auf der Plattform X, die Unterstützung der Ukraine werde nicht gekürzt – die Hilfen müssten ausgeweitet werden. „Das ist aber nur gemeinsam mit unseren europäischen Partnern möglich, von denen wir ebenso mehr Einsatz als bisher fordern.“