Düsseldorf Die Ankündigungen der neuen Bundesregierung in Sachen Energiewende sind groß: Bis 2030 will die Ampel raus aus der Kohle – acht Jahre früher als zuvor geplant. Dafür soll es bis dahin 80 statt 60 Prozent erneuerbare Energien geben, durch einen Zubau auf 200 Gigawatt Solarenergie und 30 Gigawatt Offshore-Windkraft. Genehmigungen soll es in allen Bereichen schneller geben als bisher.
Wirtschaftsvertreterinnen freuen sich über den verschärften Klimarettungs-Kurs. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbarer Energien, sieht einen „Neustart in der Energiepolitik“.
Die Branche erwarte ein Ende der Stagnation. Und Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW, lobt: „Die zukünftige Regierungskoalition hat die Dringlichkeit beim Thema Klimaschutz erkannt.“
Ab jetzt gilt es für Politik und Wirtschaft, die ambitionierten Pläne umzusetzen. Eine riesige Herausforderung – für viele Unternehmen aber auch eine gewaltige Likelihood. Wer auf den Ausbau erneuerbarer Energien setzt, steuert auf ein vielversprechendes Jahr 2022 zu.
Diese Unternehmen dürften von den Plänen der Ampel profitieren:
Grüne Strategien bei Deutschlands Energie-Riesen
Deutschlands größte Energiekonzerne Eon und RWE hatten wenige Tage vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen ihre neuen Strategien präsentiert – und sich perfekt für die neue Energiepolitik positioniert. RWE will in diesem Jahrzehnt 50 Milliarden Euro investieren – und zwar vor allem in erneuerbare Energien.
Den Wunsch, früher aus der Kohle auszusteigen, sieht der neue Konzernchef Markus Krebber inzwischen gelassen. Nach der grundsätzlichen Einigung mit der alten Bundesregierung wickelt RWE den Tagebau und die Kraftwerke ohnehin nur noch ab.
RWE ist bereit, früher auszusteigen – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die Konditionen sind schließlich für 2038 ausgehandelt. RWE wird darauf achten, dass nicht an den Vereinbarungen zum sozialverträglichen Ausstieg gerüttelt wird.
Bei den Anlegern wird es sogar eher positiv ankommen, wenn die Kohleförderung noch früher beendet wird. Das Kohleengagement lastet noch immer auf dem Kurs und hält einige Investoren davon ab, in RWE zu investieren.
Die im Koalitionsvertrag auch zur Überraschung von RWE aufgenommene Idee für eine Kohlestiftung, die die Abwicklung übernehmen könnte, würden nicht nur die kritischen Investoren als einen Befreiungsschlag empfinden. So oder so soll es im kommenden Jahr Klarheit zum Kohleausstieg geben – die Frist hat sich die neue Bundesregierung selbst gesetzt.
Entscheidend ist für Krebber vielmehr, dass die Pläne der neuen Bundesregierung voll zur neuen Strategie passen. Schon sein Vorgänger hat nach Atom- und Kohleausstieg die erneuerbaren Energien zum neuen Kerngeschäft bestimmt – und Krebber macht nun Tempo. Der geplante beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland wird für RWE damit zum großen Geschäft. Allein in Deutschland wird RWE 15 Milliarden Euro investieren. Krebber erwartet, dass die Bundesregierung im kommenden Jahr die Pläne konkretisiert.
Eon-Chef Leonhard Birnbaum hat kurz nach RWE Investitionen von 27 Milliarden Euro bis 2026 angekündigt – ein Großteil davon wird nach Deutschland fließen. Eon ist der größte Verteilnetzbetreiber in Deutschland und will massiv in die Energiewende investieren.
Birnbaum hatte noch kurz vor Veröffentlichung des Koalitionsvertrags über schleppende Genehmigungsverfahren für neue Leitungen geklagt – und genau dieser Punkt steht nun outstanding im Koalitionsvertrag. Jede Vereinfachung, die die Bundesregierung im kommenden Jahr beschließt, wird Eon zugutekommen.
Neuer Schwung für den Windkraftausbau
Beim Bundesverband Windenergie (BWE) kommt der neue Koalitionsvertrag intestine an. Für Windenergie an Land will die Bundesregierung zwei Prozent der Landesflächen ausweisen und zudem die Kapazitäten für Windenergie auf See erheblich steigern.
Das muss umgesetzt werden. Der BWE teilt mit: „Die Windbranche steht bereit. Wir sichern der künftigen Bundesregierung zu: Politische Ziele sind erreichbar.“
Neuer Schwung für den Windkraftausbau bedeutet gute Nachrichten für Unternehmen wie Enercon. Die Firma mit Stammsitz in Ostfriesland ist einer der größten deutschen Hersteller in der Windindustrie.
Angesichts des in den vergangenen Jahren nur noch schleppend verlaufenden Windkraftausbaus in Deutschland hat sie eine radikale Restrukturierung hinter sich: Zwischen 2019 und Ende dieses Jahres hat Enercon rund 3000 Jobs abgebaut und beschäftigt nun weltweit noch etwa 14.500 Mitarbeiter.
Zudem gibt Enercon-Chef Momme Janssen seinen Posten nach nur 13 Monaten wieder ab. Die Pläne der Ampel stimmen den scheidenden Chef jedoch optimistisch. Zahlreiche Kernforderungen von Enercon seien enthalten.
Auch dem Windturbinen-Hersteller Nordex dürften die Ampelpläne buchstäblich Aufwind bescheren. Das zumindest glauben Anleger: Nach Veröffentlichung des Koalitionsvertrags legte die Nordex-Aktie 7,5 Prozent zu. Anfang November hatte das Unternehmen die Prognose für seinen konsolidierten Umsatz etwas auf 5,0 bis 5,2 Milliarden Euro angehoben, seine erwartete Ergebnismarge für das Gesamtjahr wegen hoher Kosten an den Rohstoff- und Logistikmärkten aber deutlich reduziert.
Vor ähnlichen Schwierigkeiten stand zuletzt der Windanlagenbauer Siemens Gamesa. Wegen des schwierigen Umfelds geht die Tochter des Dax-Konzerns Siemens Power im Geschäftsjahr 2021/22 (per Ende September) von einem Umsatzrückgang aus. Doch zu den Plänen der neuen Regierung äußerte sich auch Marc Becker, Deutschlandchef des Turbinenherstellers Siemens Gamesa, gegenüber dem Handelsblatt optimistisch: „Dass der Koalitionsvertrag zügig nach der Bundestagswahl präsentiert wurde, ist ein gutes Zeichen und lässt auf stringente Umsetzung in Gesetzesinitiativen hoffen.“
Gute Laune in der Solarbranche
Die deutsche Solarbranche blickt in eine vielversprechende Zukunft. Schon bei der „Intersolar“, Europas größter Solarmesse in München Anfang Oktober, struggle die Stimmung bei den Photovoltaikunternehmen intestine. Denn die Nachfrage nach Solarmodulen steigt weltweit. Mit dem Ziel, bis 2030 die Photovoltaik auf etwa 200 Gigawatt auszubauen, folgt die neue Bundesregierung nun zudem weitgehend den Empfehlungen des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW).
Davon dürfte unter anderem der frühere Maschinenlieferant Meyer Burger profitieren. Seit einiger Zeit baut er eine eigene Fertigung für Solarzellen und -module auf. Dafür hat das Unternehmen in Sachsen und Sachsen-Anhalt zwei Fabriken gebaut und verkündete Anfang Oktober, eine 400 Megawatt große Produktionsstätte in den USA hochziehen zu wollen.
Serie: Branchenausblick 2022
Ebenfalls in die Karten spielen dürfte die steigende Photo voltaic-Nachfrage Energiedienstleistern wie der Jes Group, die Dachflächen von Gewerbeimmobilienbesitzern pachtet und dort Photovoltaik-Anlagen installiert. Das Unternehmen hat bislang etwa 600 Gewerbekunden und will jetzt auch das Privatkundengeschäft ausbauen.
Und auch für Begin-ups bietet der Solarmarkt derzeit gute Möglichkeiten. So ist die Solarmietfirma Enpal im Oktober zum ersten grünen Einhorn in Deutschland geworden, additionally zum ersten Begin-up mit Milliarden-Bewertung im Bereich der erneuerbaren Energien. Das Unternehmen, das Solaranlagen und Batterien an seine Kunden vermietet und bislang knapp 10.000 Solaranlagen installiert hat, will bis 2030 eine Million Anlagen auf die Dächer bringen.
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