Wismar Der Verlierer steht für Insolvenzverwalter Christoph Morgen fest. Viel Geld werde Genting mit der Zahlungsunfähigkeit der MV Werften verlieren, sagte er am Donnerstag in Wismar. Der Schiffbauer hatte am Montag Insolvenz beantragen müssen, da der Mutterkonzern aus Asien kein Geld mehr nachschießen konnte oder mochte. Seitdem ist die Zukunft der Gruppe mit ihren knapp 2000 Mitarbeitern und Standorten in Wismar, Stralsund und Rostock ungewiss.
Morgen bemühte sich, beim Besuch auf dem Werftgelände in Wismar Zuversicht zu verbreiten. Seine Kanzlei Brinkmann & Accomplice ist vom Gericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmt worden. Auf einer Betriebsversammlung versprach er den Beschäftigten, die ausstehenden Gehälter für Dezember auszuzahlen. Über das staatliche Insolvenzgeld sind die Zahlungen auch für Januar und Februar gesichert.
Was aber auf die Eröffnung des regulären Insolvenzverfahrens am 1. März folgen wird, ist ungewiss. Als Ganzes erhalten werden die MV Werften wohl eher nicht, wie Morgen sagte.
Mit der Insolvenz von MV Werften setzt sich die Pleitewelle fort, die seit der Finanzkrise 2008 die Branche immer wieder erfasst. Die Industrie hat sich unter dem Druck asiatischer Hersteller umstellen müssen. Nach dem Abschied aus dem Bau von Containerschiffen, die Chinesen und Koreaner deutlich billiger bauen können, haben sich die deutschen Werften auf die Fertigung von Spezialschiffen spezialisiert.
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An den Küsten werden seitdem Eisbrecher, Spezialtanker, Megayachten und Marineschiffe zu Wasser gelassen. Unangefochtene Taktgeber sind dabei die Bremer Lürssen-Werft (Yachten, Marine) und die Meyer-Werft aus Niedersachsen, die Kreuzfahrtschiffe produziert.
Gerade in der Nische sind die deutschen Firmen sehr erfolgreich. Kreuzfahrtschiffe sind meist Einzelanfertigung. Die dazu nötigen Fertigkeiten etwa in der Holzverarbeitung und Klimatechnik beherrschen die Rivalen aus Fernost nicht. Aus dem Grund hatte die Genting-Gruppe die MV Werften übernommen. Ziel battle es, Kreuzfahrtschiffe für den Eigenbedarf und auch für Dritte zu bauen.
„Ich möchte das Schiff zu Ende bauen“
Hinter dem Reise- und Glücksspielkonglomerat Genting steckt der malaysische Milliardär Lim Lok Thay, der sein Unternehmen an der Börse Hongkong gelistet hat. Das erste Projekt ist die International Dream, die bei MV Werften gefertigt wird. Als eines der weltweit größten Kreuzfahrtschiffe soll sie einmal 9.500 Passagieren Platz bieten. Im Second liegt das Schiff aber im Baudock der Werft in Wismar.
Bis zur Hallendecke türmt sich die International Dream Deck um Deck hoch. Erst vor wenigen Wochen wurde auf dem Schiffskörper die Farbe aufgetragen. Auf dem weißen Lack tanzen Astronauten, Schmetterlinge und Meeresgetier. Es ist eine bunte Bemalung, die asiatischen Kunden gefallen soll. In der gigantischen Halle ist es an diesem Donnerstag gespenstisch ruhig, die Kräne und Schweißgeräte schweigen. Mit der Pleite haben die Mitarbeiter ihre Arbeit einstellen müssen.
So soll es nicht bleiben, wie Insolvenzverwalter Morgen betont. „Ich möchte das Schiff zu Ende bauen“, sagte der Jurist. Die International Dream ist zu 75 Prozent fertig. Zur Finanzierung der verbliebenen Arbeiten ist ein Betrag oberhalb von 500 Millionen Euro nötig. Das Bauvolumen insgesamt beträgt rund anderthalb Milliarden Euro.
Helfen soll nun der Staat, einmal mehr. Die ebenfalls zur Betriebsversammlung nach Wismar angereiste Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) versprach ihre Unterstützung. Mit den Vertretern des Bundes würden dahingehend Gespräche geführt. Die Zeit drängt; bis zur Eröffnung des regulären Insolvenzverfahrens am 1. März muss eine Lösung stehen.
Eigner verweigerte Garantien
Die Landesmutter von Mecklenburg-Vorpommern zeigt sich enttäuscht, dass es zur Pleite der Werftengruppe gekommen ist. Sie und ihr Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) hatten mit Vertretern von Genting bis zuletzt über eine Finanzierung verhandelt, um eine Insolvenz zu verhindern.
Land und Bund hatten für eine weitere finanzielle Unterstützung indes einen Beitrag von 60 Millionen Euro von Genting verlangt. Die Asiaten wollten allerdings nur 41 Millionen Euro beisteuern. Auch wenn Wirtschaftsminister Meyer betonte, dass es nicht die Zeit für die Suche nach den Schuldigen sei, steht die Frage im Raum, warum die MV Werften in die Insolvenz gehen mussten.
Genting hat seit der Übernahme im März 2016 einen dreistelligen Millionenbetrag in die Standorte investiert, um diese match für den Bau von Kreuzfahrtschiffen zu machen. „Das battle ein guter Eigentümer“, sagte am Donnerstag ein Werftmitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen wollte.
Als zukünftiger Eigentümer scheint Genting auszufallen; für Insolvenzverwalter Morgen ist eine Zerschlagung wahrscheinlich. Für die einzelnen Standorte gebe es Überlegungen. Die Stadt Stralsund etwa will die Werft kaufen und zu einem Gewerbepark umrüsten. Auch Rostock will den Standort übernehmen und umwidmen.
Raus ist Genting aber nicht. Laut MV-Werften-Chef Carsten Haake hat die einstige Mutterfirma noch am Sonntag die Abnahme der International Dream zugesichert. Jurist Morgen will nun mit Genting ausloten, ob dies tatsächlich ein Possibility ist.
Gelingt dies, dann bleibt noch die Frage, was aus der International Two wird. Das Schwesterschiff der International Dream liegt zumindest in Teilen auf den Werftgeländen. Investiert wurde bereits ein dreistelliger Millionenbetrag.
Mehr: Gericht beruft Insolvenzverwalter für Teile der MV Werften.