Es könnte die bisher größte Bewährungsprobe der Ampel-Koalition werden: Beim Haushalt für das kommende Jahr geht es um Kürzungs- und nicht um Wunschlisten. Die Arena ist eröffnet.
Sie täuscht, die sommerliche Feiertags-Lethargie im Berliner Regierungsviertel dieser Tage. Hinter den Kulissen hat begonnen, was man getrost eine Zerreißprobe nennen kann. Es geht um viele Milliarden, den Bundeshaushalt des Wahljahres 2025. Und es geht um das Überleben der Ampel-Koalition.
Bis Donnerstag hatten die Bundesministerien Zeit, Finanzminister Christian Lindner ihre Anmeldungen für das Budget des kommenden Jahres vorzulegen. Die Vorgaben des FDP-Chefs sind strikt: Fast alle seiner Kabinettskolleginnen und -kollegen sollen sparen. Was die Häuser tatsächlich einreichten, will das Finanzministerium möglichst lange geheim halten. Doch eines scheint schon klar: Mehrere von Lindners Kollegen halten sich nicht an die Vorgaben und reklamieren statt Sparvorschlägen doch wieder einen mehr oder weniger großen Mehrbedarf.
Lindner muss Milliarden-Lücke füllen
Dabei hatte der Finanzminister Anfang März deutlich gemacht, dass es in diesem Jahr eigentlich anders laufen sollte. Diesmal gebe es kein zusätzliches Geld zu verteilen, sondern „Handlungsbedarf“, hatte er gesagt. Es sollte nicht über Wunsch-, sondern über Spar- und Kürzungslisten geredet werden.
Denn in der Etat-Planung für das kommende Jahr klafft eine riesige Lücke. Manche sprechen von 15, andere eher von 25 oder noch mehr Milliarden. Da wirkt sich der Ukraine-Krieg aus, die flaue Wirtschaftslage, aber auch weiterhin das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im vergangenen Jahr Milliarden aus einem Sondertopf für Klimaschutz strich.
Warum der Etat 2025 so wichtig ist
Spar-Haushalte sind immer schwierig – besonders aber, wenn es um den Etat eines Wahljahres geht. Denn wofür man jetzt kein Geld rausschlägt, das kann vor der Bundestagswahl 2025 wahrscheinlich nicht mehr umgesetzt werden. Das gilt für die Kindergrundsicherung genauso wie für die geplante Rentenreform, für Klimaschutzvorhaben und Verkehrsprojekte. Und das kann Wählerstimmen kosten.
Dass seine Kabinettskollegen unter diesem Druck nicht mit ihm am gleichen Strang ziehen, das hatte Lindner im März quasi schon vorhergesagt. „Sollten die Anmeldungen nicht den ressortspezifischen Obergrenzen entsprechen, können diese nicht akzeptiert werden“, erklärte er damals. Was genau das bedeutet, wird man in den kommenden Wochen wohl erleben.
Koalitionspartner erwarten schwierige Gespräche
Zunächst will Lindner mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) eine Bilanz der Anmeldungen ziehen. Die Kernfrage: Wie viele Milliarden liegt man über dem Soll – und wer muss das ausbaden? Habeck beschreibt die Verhandlungen als anspruchsvoll. „Das waren sie im letzten Jahr auch schon. Da war die Finanzlücke aber geringer“, sagte er Anfang der Woche. Konsolidierung, das bedeute, dass die Menschen entweder weniger Geld bekämen – oder mehr bezahlen müssten.
Bei den Verteilungskämpfen zwischen den Ministerien versuche jeder, „für sich den einfachen Weg zu gehen“, sagte FDP-Haushälter Otto Fricke im Deutschlandfunk. Die Angst im Kabinett: Wer zuerst zuckt und Lindner den kleinen Finger reicht, der könnte schnell die ganze Hand verlieren.
Sicherheit sei kein Bereich, in dem gespart werden könne, heißt es beispielsweise aus dem Haus von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Die Bundesregierung dürfe weder ihr Engagement zur Begrenzung irregulärer Migration zurückfahren noch die Integration vernachlässigen. Angesichts der russischen Aggression in Europa seien sowohl in den Sicherheitsbehörden als auch in der zivilen Verteidigung Investitionen unvermeidbar. Faeser hatte zuletzt betont, sie wisse, „dass dem Bundesfinanzminister die Bedeutung der inneren Sicherheit bewusst ist“.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr forderte das Ampel-Kabinett am Donnerstag noch einmal demonstrativ auf, „sich an den Konsolidierungskurs zu halten, den Kanzler Scholz und die Minister Lindner und Habeck gemeinsam vereinbart haben“.
Was schon nach außen drang
Als Grundlage für seinen Haushalt will Lindner die im Kabinett bereits beschlossene mittelfristige Finanzplanung nehmen. Demnach müssten ausgerechnet das Außenministerium und das Entwicklungsministerium hohe Einschnitte verkraften. Wie vorab zu hören war, wollen beide Ministerinnen das nicht hinnehmen.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) müsste statt mit mehr als 6 demnach mit um die 5 Milliarden Euro auskommen – trotz der Kriege in der Ukraine und in Gaza, wo viel humanitäre Hilfe nötig ist. In die Verhandlungen geht Baerbock dem Vernehmen nach nun mit einer Forderung von rund 7,3 Milliarden – davon eine knappe Milliarde zur Unterstützung der Ukraine.
Auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ist mit Lindners Vorgaben nicht glücklich. Sie wies im Interview der „taz“ kürzlich auf die geostrategische Bedeutung von Entwicklungszusammenarbeit hin. „Da, wo der Westen sich zurückzieht, geht Russland rein.“ Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) forderte bereits 6,5 Milliarden Euro zusätzlich.