Seit fast 23 Monaten wird am Landgericht Köln verhandelt, ob der Reemtsma-Entführer Thomas Drach erneut hinter Gitter muss. Am 100. Verhandlungstag könnte jetzt das Urteil fallen.
Unter massiven Sicherheitsmaßnahmen gehen die Verhandlungen am Landgericht Köln in den 100. Verhandlungstag. Auf der Anklagebank sitzt Deutschlands wohl bekanntester Schwerverbrecher, Thomas Drach. Der ehemalige Entführer des Erben der Hamburger Tabak-Dynastie Reemtsma, Jan Philipp Reemtsma, muss sich wegen mehrerer Raubüberfälle auf Geldtransporter verantworten.
Der Angeklagte bekommt am Donnerstag zunächst Gelegenheit für das „letzte Wort“. Danach will die Kammer bekannt geben, ob sie noch am selben Tag das Urteil spricht oder einen separaten Termin dafür ansetzt.
Drach-Prozess: 15 Jahre Haft gefordert
Die Staatsanwaltschaft hat 15 Jahre Haft sowie Sicherungsverwahrung für den Angeklagten gefordert. Das käme einer lebenslangen Unterbringung hinter Gittern gleich. Die Verteidiger des 63-Jährigen hingegen plädierten zuletzt auf einen Freispruch für ihren Mandanten.
In dem Prozess, der bereits im Februar 2022 begann, werden Drach mehrere Raubüberfälle zur Last gelegt. Nach den Plädoyers im Dezember könnte das Urteil verkündet werden. Drach selbst bestreitet weiterhin jegliche Beteiligung an den ihm vorgeworfenen Taten.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich der 63-Jährige des schweren Raubs und des versuchten Mordes schuldig gemacht habe. Am 99. Verhandlungstag sah sie es als „zweifelsfrei erwiesen“ an, dass Drach in den Jahren 2018 und 2019 vor Ikea-Märkten in Köln und Frankfurt am Main sowie am Flughafen Köln/Bonn drei Werttransporter überfallen hat. Bei zwei Überfällen habe Drach auf Geldboten geschossen und diese schwer verletzt. Weil er aus Habgier gehandelt haben soll, seien die Schüsse laut Staatsanwältin als versuchter Mord zu werten. Bei den drei Überfällen soll Drach knapp 142.000 Euro erbeutet haben.
Staatsanwältin ist von Drachs Schuld überzeugt
Es sei letztlich festzuhalten, dass „die Indizien wie ein Pfeil auf den Angeklagten Drach“ zeigen würden, hieß es im Plädoyer der Staatsanwältin, die etwa auf eine DNA-Spur Drachs an einer Kennzeichenhalterung eines Fluchtfahrzeugs verwies. Diese Spur stelle eine Verbindung des 63-Jährigen zu bestimmten Fahrzeugen im Zusammenhang mit den Taten her.
Auch belaste ihn eine Aussage eines ehemaligen Mitgefangenen. Dieser hatte im Prozess erklärt, Drach habe ihm gegenüber die drei Raubüberfälle eingeräumt. Den Zeugen bezeichnete die Staatsanwältin als „absolut glaubhaft“. In Verbindung mit der Auswertung von Videoaufnahmen von Überwachungskameras an den Tatorten ergebe sich ein abgerundetes Gesamtbild, so die Anklägerin.
Drach wurde zudem ein vierter Raubüberfall auf einen Werttransporter in Limburg in Hessen zur Last gelegt. Für diesen aber konnte die Anklage keinen Tatnachweis erbringen, weshalb Drach von diesem Vorwurf bereits freigesprochen wurde.
Zusätzlich Antrag auf Sicherheitsverwahrung
Zusätzlich zur geforderten Haftstrafe beantrage die Staatsanwaltschaft eine Sicherungsverwahrung für Drach. Das würde bedeuten, dass der 63-Jährige auch nach Absitzen seiner Haftzeit nicht in die Freiheit entlassen, sondern in den Maßregelvollzug überstellt würde.
Die Sicherheitsverwahrung seit laut Staatsanwältin mit Blick auf die zahlreichen Vorstrafen Drachs angebracht. „Kriminalität ist seit frühester Jugend seine einzige Strategie, zu Geld zu kommen und ein Leben in Luxus zu führen“, sagte sie im Dezember vor dem Kölner Landgericht. Im Jahr 1996 hatte Thomas Drach etwa Jan Philipp Reemtsma entführt, Erbe der gleichnamigen Hamburger Tabak-Dynastie. Drach hatte Reemtsma nach einer Lösegeldzahlung in Höhe von 30 Millionen D-Mark freigelassen und sich nach Südamerika abgesetzt. Hier konnte Drach schließlich verhaftet und nach Deutschland überstellt werden.
Drach wurde von Zeugen nicht identifiziert
Die Verteidiger Drachs plädierten im Dezember auf Freispruch. „Herr Drach mag vielleicht verdächtig im Sinne der Anklage sein“, sagte einer seiner Verteidiger. Das reiche aber nicht für eine Verurteilung. So sei Drach an keinem der Tatorte erkannt oder von Zeugen identifiziert worden. „Niemand hat gesagt: Da ist er doch, der Thomas, der Reemtsma-Entführer“, sagte der Verteidiger.
Den von der Staatsanwaltschaft angeführten ehemaligen Mitinsassen Drachs in der Untersuchungshaft bezichtigte der Verteidiger der Lüge. Der Mann habe Drach belastet, um in seinem eigenen Verfahren an einem anderen Landgericht eine milde Strafe zu bekommen. „Der Angeklagte ist hier objektiv nicht überführt worden“, sagte der Anwalt weiter.