Lauterbachs Reform
Das kommt auf Notfall-Patienten zu
Aktualisiert am 17.07.2024 – 12:17 UhrLesedauer: 3 Min.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant eine Reform der Notfallversorgung. Was Sie jetzt wissen sollten.
Mit der Reform der Notfallversorgung in Deutschland soll sich für die Patientinnen und Patienten einiges ändern. Bei akuten Beschwerden ist heute die Notaufnahme vor allem am Wochenende oder abends die erste Anlaufstelle für viele. Dort herrschen dann meist Stress und Warterei. Künftig sollen die Notfallpatienten und -patientinnen besser durch den Gesundheitsdschungel gesteuert werden. Nach dem für heute geplanten Kabinettsbeschluss soll die Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Parlament beraten werden. Was auf die Versicherten zukommt:
Zwei Neuerungen werden dafür eingeführt: In Akutleitstellen sollen Patientinnen und Patienten unter einer bundesweiten Nummer eine Ersteinschätzung zum weiteren Vorgehen bekommen. Erreichbar sind sie unter 116 117. Bundesweit sollen zudem sogenannte integrierte Notfallzentren in der Regie von Kliniken aufgebaut werden, an manchen Standorten auch für Kinder und Jugendliche. In den Notfallzentren ist die Notfallaufnahme des Krankenhauses mit einer Notdienstpraxis kombiniert.
Man fürchtet, man muss sofort behandelt werden – was ist zu tun?
Es gibt auch künftig mehrere Möglichkeiten, aber die telefonische soll stark ausgebaut werden. Bei der 116 117 soll man in 75 Prozent der Fälle nach spätestens drei Minuten eine Ersteinschätzung bekommen, sonst soll es nur wenig länger dauern. Patienten können von den Fachleuten am Telefon ins nächste Notfallzentrum geschickt werden.
Stellt sich der Fall als Notfall heraus, soll er sofort auf die 112 weitergeleitet werden, sodass ein Krankenwagen anrücken kann. Telemedizin-Ärztinnen und -Ärzte können für eine Einschätzung direkt zugeschaltet werden. Die Telefon-Beratung soll nach der Erwartung der Regierung unnötige Rettungsstellen-Besuche verhindern. Verknüpft werden die Akutleit- mit den Terminservicestellen: Arztbesuche können dann direkt am Telefon in die Wege geleitet werden. Wer über die 116 117 im Notfallzentrum landet, soll dort schneller drankommen.
Am Empfangstresen der integrierten Notfallzentren (INZ) soll es eine Ersteinschätzung geben: Wohin geht es für die Hilfesuchenden als nächstes – in die Notaufnahme oder eine nahe Notdienstpraxis? Lauterbachs erklärtes Ziel: Patientinnen und Patienten sollen dort behandelt werden, wo es am besten und schnellsten geht.
Die INZ sollen so im Land verteilt werden, dass mindestens eines stets gut erreichbar ist. Die Öffnungszeiten der angeschlossenen Notdienstpraxen: abends immer bis 21 Uhr – auch an Wochenenden und Feiertagen.
Die Ärztin oder der Arzt können telefonisch oder per Video einen Praxis- oder Klinikbesuch als nicht nötig erachten. In so einem Fall soll auch ein elektronisches Rezept oder eine elektronische Krankschreibung ausgestellt werden können.
Notaufnahmen und Rettungsdienste sind oft am Limit. Jede und jeder Dritte in einer Notaufnahme wäre nach Einschätzung des Gesundheitsministeriums in einer Praxis besser aufgehoben. Das liegt auch daran, dass viele schlicht nicht wissen, was sie tun sollen, wenn sie nachts oder am Wochenende plötzlich medizinische Hilfe brauchen. Viele landen beim Rettungsdienst und schließlich erstmal stationär im Krankenhaus.
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband warnte vor einem Scheitern der Reform – denn es fehle am nötigen Personal, außerdem sollten „Parallelstrukturen“ aufgebaut werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) lobte positive Ansätze. Die KBV zweifelte aber an der vollen Umsetzbarkeit mangels Personal – etwa auch für die ebenfalls vorgesehene Ausweitung von Hausbesuchen.
Die Krankenkassen lobten die Vorschläge – Stefanie Stoff-Ahnis, Vize-Chefin des GKV-Spitzenverbandes, sagte: „Das Notfallgesetz enthält viele richtige Ansatzpunkte, um die Versorgung unserer Versicherten zu verbessern.“ Eine Mahnung an Lauterbach haben die Kassen auch parat: Die Kassenärztlichen Vereinigungen dürften nicht vor unlösbare Personalprobleme gestellt werden. Als neue Transparenz begrüßte Stoff-Ahnis die geplante Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen, im Internet bundesweit einheitlich über Sprechstundenzeiten der Ärzte zu informieren.
Mehrere Vorlagen aus dem Gesundheitsressort soll die Ministerrunde an diesem Mittwoch beschließen. Anders als heute sollen künftig Nierenspenden auch zwischen zwei Paaren überkreuz möglich sein. Um die Vorbeugung von Krankheiten zu stärken, soll am 1. Januar 2025 eine neue Bundesbehörde an den Start gehen, das Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM). Teile des Robert Koch-Instituts sowie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sollen darin aufgehen. Und um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben, soll die dafür bestehende sogenannte gematik zu einer Digitalagentur ausgebaut werden