Die Bürger der Brandenburger Gemeinde Grünheide lehnen einen Ausbau der Tesla-Fabrik ab. Wie kann es nun vor Ort weitergehen? Der zuständige SPD-Bundestagsabgeordnete prophezeit: „Es wird nicht einfach“.
Das Votum der Einwohnerinnen und Einwohner im brandenburgischen Grünheide war deutlich: Mehr als 60 Prozent sprachen sich in einer Bürgerbefragung gegen die Erweiterungspläne des Elektroautobauers Tesla aus. Der Konzern von US-Milliardär Elon Musk will neben seiner 300 Hektar großen „Gigafactory“ nochmals 100 Hektar Wald roden, unter anderem sollen so ein Güterbahnhof, Lagerhallen und ein Betriebskindergarten entstehen.
Die Abstimmung erregte international Aufsehen, selbst die „New York Times“ berichtete. Wie kann es vor Ort nun weitergehen? Und was bedeutet die Entscheidung für den Wirtschaftsstandort Deutschland? „In der Kommunikation ist viel schiefgelaufen“, räumt Mathias Papendieck, SPD-Bundestagsabgeordneter und Direktkandidat für den Wahlkreis, zu dem auch Grünheide gehört, ein. Im Interview sagt Papendieck, was er nun vorschlägt.
t-online: Herr Papendieck, wer braucht wen mehr? Tesla Grünheide oder Grünheide Tesla?
Mathias Papendieck: Das ist eine gute Frage. Ich denke, Tesla braucht Grünheide mehr.
Da muss man einmal zurückblicken. Tesla hatte großes Glück, Grünheide zu finden. Denn die Gemeinde hat schon 2001 eine 300 Hektar große Fläche für eine Industrieanlage in den Bebauungsplan aufgenommen – ohne zu wissen, wer da mal hinkommt. Das kam aus der Not heraus, die Arbeitslosenquote lag damals bei 20 Prozent. Als Tesla also kam, war schon alles vorbereitet. Das ist eine wirklich außergewöhnliche Situation, denn normalerweise dauert es gut zehn Jahre von der Bewerbung bis zum ersten Spatenstich. Mittlerweile geht es Grünheide wirtschaftlich sehr gut, die Lage kurz vor Berlin ist attraktiv. Das findet Tesla so schnell nicht wieder.
Zu dem Aufschwung hat auch Tesla beigetragen: Die Fabrik hat mehr als 10.000 Jobs geschaffen, und allein 2022 sechs Millionen Euro Steuergelder in die Gemeindekasse gespült. Dennoch haben die Bürger gegen einen Ausbau gestimmt. Was ist da schiefgelaufen?
Das ist eine komplizierte Gemengelage. Zum einen hat sich die wirtschaftliche Situation geändert, die Bedürfnisse sind jetzt andere. Dann wurde hier ein Konflikt ausgetragen, der größer ist als nur Grünheide: Verschiedene Gruppen, wie radikale Klimaschützer und auch die AfD, die die E-Mobilität generell skeptisch sehen, haben vor Ort mitgemischt. Und schließlich ist in der Kommunikation viel schiefgelaufen.
Ein Beispiel: Tesla hat am Anfang gesagt, es brauche vier Millionen Kubikmeter Wasser – in einer Region, in der Dürre ein Problem ist. Das wurde zwar später revidiert, weil es technologische Möglichkeiten gibt, das Wasser aufzubereiten und Tesla nun doch nur 300.000 Kubikmeter braucht. Da ist in der Diskussion schon einmal viel verloren gegangen.
Zum Gesprächspartner
Mathias Papendieck (SPD) ist Bundestagsabgeordneter und gewann 2021 das Direktmandat für den Wahlkreis Frankfurt (Oder) – Oder-Spree, zu dem auch Grünheide gehört. Zuvor war Papendieck lange in der Lokalpolitik aktiv.
Bei wem sehen Sie die Verantwortung?
Wir als Politiker müssen uns den Schuh anziehen. Wir sind dafür zuständig, die Sachen fundiert zu erklären. Das haben wir nicht geschafft. Da nehme ich mich als Bundestagsabgeordneten für die Region nicht aus, aber auch auf anderen Ebenen muss man sich mal überlegen, was man besser machen kann und auch sollte. Wir müssen uns jetzt alle noch mal mit den Kritikern und den Bürgern hinsetzen und schauen, was wir nun verändern müssen. Ich habe auch ein paar Ideen, die mir direkt einfallen.
Ein großer Kritikpunkt ist ja, dass viel Wald gerodet wird. Da könnte man einen Kompromiss finden, dass 30, 40 Hektar Wald bleiben. In dem Wald könnte beispielsweise die Betriebskita gebaut werden, das ist dann auch für die Kinder schöner als auf dem Werkgelände. Eine weitere Beschwerde ist der Verkehr: Nur mit dem geplanten Güterbahnhof werden wir den reduzieren können. Wir müssen also vermitteln, welche Vorteile mit dem Ausbau kommen. Ein weiterer Punkt ist mir besonders wichtig: Im aktuellen Bebauungsplan fehlt ein Gebäude für die Gewerkschaft IG Metall. Die sitzt derzeit am Bahnhof, doch das Gebäude soll abgerissen werden. Dabei ist es ein schönes, erhaltenswertes Fachwerkgebäude. Es sollte zumindest geprüft werden, ob man es an den neuen Bahnhof verschieben kann. Die Gewerkschaft sollte so oder so einen festen Platz vor Ort haben, schließlich sorgt sie gemeinsam mit dem Betriebsrat für Arbeitssicherheit. Unter diesen Gesichtspunkten ist es gar nicht schlecht, dass der Bebauungsplan nun abgelehnt wurde.