Die Wirtschaft schwächelt, die Regierung will gegensteuern. Bislang ist aber noch wenig passiert, kritisiert Arbeitgeberpräsident Dulger. Er mahnt: Es muss jetzt schnell gehen.
Die Bundesregierung will die „Wirtschaftswende“ einläuten, doch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger geht das nicht schnell genug. Statt an Lösungen zu arbeiten, werde viel geredet und Zeit verschwendet.
Im Interview mit t-online erklärt Dulger, warum er Verständnis für den Protest von Arbeitnehmern hat, weshalb sich „made in Germany“ weiter lohnt und was die Politik angehen muss, um den Fachkräftemangel zu beheben.
t-online: Herr Dulger, die wirtschaftliche Lage Deutschlands ist desaströs, die Ampelregierung will deshalb für eine „Wirtschaftswende“ sorgen. Wie viel Hoffnung setzen Sie in diese Ankündigung?
Rainer Dulger: Wollen Sie eine ehrliche Antwort?
Meine Hoffnungen sind aktuell nicht allzu groß. Die Ampelregierung kommt nicht vom Fleck. Es wird viel geredet, aber wenig gehandelt. Wenn es so weitergeht, dann wird unser Land wirtschaftspolitisch vor die Wand fahren.
Aber die Diagnose, dass die Wirtschaft jetzt dringend Impulse braucht, ist doch schon einmal gut, oder?
Das stimmt. Ich freue mich, dass inzwischen die gesamte Bundesregierung erkannt hat: Deutschlands Wirtschaft geht es dramatisch schlecht. Allerdings hätte man zu diesem Schluss auch schon viel früher kommen können. Jetzt drängt die Zeit, wir müssen schleunigst handeln: Deutschland muss wieder einfacher werden, wir müssen digitaler, agiler und weniger bürokratisch werden. Die Steuern müssen runter – für Strom, aber auch insgesamt für die Unternehmen und für die Einkommen, damit auch die Arbeitnehmer mehr Netto vom Brutto in der Tasche haben.
Das sind ziemlich viele Wünsche. Ist es da nicht verständlich, dass die Regierung ein bisschen Zeit braucht, um sich auf die wichtigsten Schritte zu einigen?
Wenn nur noch gerungen wird, ohne dass dabei eine gute Lösung herauskommt, ist das schlecht für unser Land. Mein Eindruck ist: Wir verplempern wertvolle Zeit. Das scheinen übrigens auch viele andere Menschen so zu sehen, darum ist die Stimmung im Land so mies.
Aktionen gegen einzelne Politiker, Bedrohungen oder gar Gewalt verurteile ich aufs Schärfste
Rainer Dulger
Sie meinen die vielen Leute, die gegen die Ampel protestieren, etwa die Bauern?
Beispielsweise, ja. Ich kann den Unmut vieler Bürger verstehen. Eines aber will ich an dieser Stelle klarstellen: Protest ist legitim in unserer freiheitlichen Demokratie. Aber er darf niemals gewaltsam werden. Aktionen gegen einzelne Politiker, Bedrohungen oder gar Gewalt verurteile ich aufs Schärfste.
Zurück zur Wirtschaftspolitik. Sie haben jüngst den Kanzler getroffen, ihm zuvor auch schon Ihre zehn wichtigsten Punkte zur Belebung der Wirtschaft geschickt. Was hat er Ihnen dazu gesagt?
Wir haben bisher keine zufriedenstellenden Antworten bekommen.
Beispielsweise wurde unter anderem auf das sogenannte Wachstumschancengesetz verwiesen, das für mehr Aufschwung sorgen soll. Das fand ich schon etwas merkwürdig. Denn genau dieses Gesetz zeigt ja, was in der Wirtschaftspolitik schiefläuft: Deutschlands Unternehmen und seine Arbeitnehmer erwirtschaften jährlich rund 1.000 Milliarden Euro. Und dieses Mini-Gesetz soll nun für eine Entlastung in Höhe von rund 3 Milliarden Euro sorgen. Also 0,3 Prozent dieser Summe. Das ist doch ein Witz!
Was muss sich denn ganz konkret ändern, damit die Wirtschaft wieder voll durchstartet?
Wenn Sie gestatten, würde ich das gern anhand einer Geschichte veranschaulichen.
Stellen Sie sich eine Person vor, die aus Indien nach Deutschland einwandern will, um hier zu arbeiten. Die blickt auf ein Land mit angefressener Infrastruktur, in dem sie fast die höchsten Steuern und Abgaben in der ganzen EU zahlen muss, in dem der Strom teuer ist, der Wohnraum knapp und in dem es zu wenig Kitaplätze gibt. Und dann ist da auch noch die Sprache, die vergleichsweise schwierig ist. Wenn diese Frau nun ein Angebot aus Spanien bekommt, aus England oder aus Tschechien, wo mindestens die Steuern niedriger und der Strom billiger ist und sie einen Kitaplatz für ihre beiden Kinder bekommt – was, glauben Sie, wo diese Frau hingeht?