Berlin Eine neue Bundesregierung – ein neuer Fokus auf die Förderpolitik im Wohnungsbau, um Emissionen zielgerichteter zu senken. Das ist der Plan von SPD, Grünen und FDP. Man werde nach dem Auslaufen des Förderstandards KfW 55 im Neubau ein Förderprogramm für den Wohnungsbau einführen, das vor allem die Treibhausgasemissionen in den Vordergrund rücken wolle, heißt es im Koalitionsvertrag.
Das Downside: Eine Umstellung der Fördersystematik dürfte so schnell nicht möglich sein. Schließlich hatte die alte Bundesregierung noch im November beschlossen, den Förderstandard für ein Effizienzhaus der Stufe 55 bereits Ende Januar 2022 auslaufen zu lassen – zum Ärger der Bau- und Wohnungsbranche. Im Neubau gefördert würden dann von der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau nur noch Häuser mit der höheren Energiestufe 40.
>> Lesen Sie hier: Wer sein Gebäude energieeffizient saniert, kann auf staatliche Unterstützung setzen. Doch für Anträge nach den alten KfW-Regeln tickt die Uhr. Was interessierte Bauherren jetzt beachten müssen.
Daniel Föst, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, plädierte jetzt für eine „kurzfristige Verlängerung der Fördermittel“ für den KfW-55-Customary.
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„Die Union hinterlässt in der Baupolitik eine lange To-do-Liste, die wir dringend angehen müssen“, sagte Föst dem Handelsblatt. Den Betroffenen in der Branche sei das Auslaufen des KfW-Requirements 55 weder frühzeitig kommuniziert worden, „noch wurde ihnen eine sinnvolle Übergangsregelung in Aussicht gestellt“, so Föst. „Das ist mehr als kontraproduktiv und schafft Unsicherheit.“
Föst bekräftigte, dass die Ampel eine Neuaufstellung der Fördersystematik anstrebe. „Wir haben im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir künftige Förderungen an der eingesparten Tonne CO2 festmachen werden und nicht an bestimmten Einzelmaßnahmen“, sagte er. „Aber bis dahin brauchen die Unternehmen Planungssicherheit.“
„Es entsteht weniger Wohnraum“
Immobilienprojekte haben einen langen Vorlauf. Für Projekte, für die im kommenden Jahr Anträge gestellt werden würden, hätten die Planungen längst begonnen, erläuterte Föst. „Wenn diese Projekte sich durch den Wegfall der Förderung nicht mehr als wirtschaftlich erweisen, schadet das nicht nur den Unternehmen – es entsteht auch weniger Wohnraum.“
Unterstützt wird Föst von der nordrhein-westfälischen Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU). „Zahlreiche Wohnungsneubauvorhaben stehen – und zwar auch im mietpreisgebundenen Bereich für Menschen mit wenig Geld – wegen der sich plötzlich auftuenden Finanzierungslücke auf der Kippe“, sagte sie dem Handelsblatt.
„Die Abschaffung der Förderung trifft alle, die bauen wollen, von Bürgerinnen und Bürgern, die Eigentum bauen, bis hin zu kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Das zerstört Vertrauen und bringt Unruhe in eine State of affairs, in der alle dasselbe Ziel haben: mehr zu bauen.“
Man fasse sich bei manchen Entscheidungen einfach nur noch an den Kopf, sagte Scharrenbach. „In einer Zeit, wo wirklich alle dafür Sorge tragen, energieeffizient und bezahlbar zu bauen, macht die Bundesregierung genau das Gegenteil.“
„Erste wichtige Aufgabe für die neue Bauministerin“
Auch die Bauministerkonferenz hatte im November schon die damalige geschäftsführende Bundesregierung aufgefordert, von ihrem Vorhaben, die KfW-55-Förderung einzustellen, abzusehen.
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft (GdW), spricht von einer „unverständlichen und unsozialen Entscheidung“ der alten Regierung. Bis es eine Anschlussregelung gebe, müsse die Förderung für alle Unternehmen als Übergangsregelung verlängert werden, sagte er dem Handelsblatt.
„Das ist die erste wichtige Aufgabe für die neue Bauministerin und ihr Group.“ Ansonsten, warnte Gedaschko, „ist Attentismus bei den Unternehmen die Folge, mit weitreichenden negativen Auswirkungen für das bezahlbare und klimaschonende Wohnen“. Ohne diese Förderung werde das Wohnen mit erhöhtem Klimastandard für viele Menschen in Deutschland unbezahlbar, und das gerade erst von der neuen Regierung ausgerufene Ziel von 400.000 neuen Wohnungen rücke in weite Ferne.
Auch der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen kritisierte die Streichung. Ohne die Förderung sei nur noch der gesetzliche Mindeststandard wirtschaftlich darstellbar, sagte BFW-Präsident Andreas Ibel schon im November.
Längere Übergangsfristen für Hochwassergebiete
Am Donnerstag waren Pläne der Regierung bekannt geworden, die von der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz betroffenen Gebiete bis zum 30. Juni 2022 von der Regelung auszunehmen, dort additionally Effizienzhäuser mit dem KfW-55-Customary weiter zu fördern. Dem Handelsblatt liegen die Änderungsfassungen der BEG-Richtlinien für Wohngebäude und Nichtwohngebäude vor. BEG steht für Bundesförderung für effiziente Gebäude.
Für die Wirtschaft ändert das nichts Grundlegendes. „Lediglich die von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Gebiete bis zum 30. Juni 2022 weiter zu fördern reicht bei Weitem nicht aus“, sagte Gedaschko. Föst sprach von einer „guten Nachricht“. Es wäre jedoch „sinnvoll“, die Förderung insgesamt zu verlängern, sagte der FDP-Politiker. Eine Anfrage des Handelsblatts beim Bundeswirtschaftsministerium blieb bislang unbeantwortet.
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