Frankfurt Wer in Begin-ups investiert, braucht gute Nerven. Als ihn ein Investor 2015 auf die amerikanische Firma Marqeta hinweist, ringt CommerzVentures-Co-Chef Stefan Tirtey lange mit sich. Ob der Zahlungsdienstleiter Erfolg haben wird, ist damals nämlich höchst ungewiss. Nach vielen schlaflosen Nächten entscheidet Tirtey dann mit seinen Kollegen, „ins Risiko zu gehen und in Marqeta zu investieren“.
Dieser Mut hat sich ausgezahlt. Marqeta entwickelte sich prächtig und wurde bei seinem Börsengang im Sommer dieses Jahres mit 16 Milliarden Greenback bewertet. Davon profitierte dank ihrer Beteiligung im niedrigen einstelligen Prozentbereich auch CommerzVentures.
Die Wagniskapital-Tochter mit gerade mal elf Mitarbeitern hat ihrem Mutterkonzern in den vergangenen Jahren Gewinne von mehreren Hundert Millionen Euro beschert. Sie ist damit die erfolgreichste Sparte von Deutschlands zweitgrößter Privatbank, die gerade grundlegend saniert wird und 10.000 Stellen abbaut.
CommerzVentures hat neben Marqeta auch in die israelische Handelsplattform eToro, den britische Tier-Versicherer Purchased by Many und die Berliner Finanztechnologiefirma Mambu investiert – allesamt Begin-ups, die inzwischen mehrere Milliarden Euro wert sind.
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Der Wagniskapitalfinanzierer habe zahlreiche attraktive Firmen im Portfolio und sorge mit seinen Gewinnen „für willkommenen Rückenwind während der Restrukturierung der Commerzbank“, loben die Analysten der Deutschen Financial institution.
Starallüren haben Tirtey, 52, und sein Co-Chef Patrick Meisberger, 50, trotz ihres Erfolges nicht entwickelt – im Gegenteil. Meisberger empfängt in den karg eingerichteten Büroräumen in der Frankfurter Innenstadt, die CommerzVentures vor einem Jahr bezogen hat. Auf dem Klingelschild steht noch „Max Mustermann“. Den Cappuccino für die Gäste macht Meisberger in der Küche selbst. Tirtey ist per Video aus dem Münchener Umland zugeschaltet.
Wenn man beide nach ihrem Erfolgsrezept fragt, nennen sie als Erstes die Ausrichtung der Firma. Im Gegensatz zu Enterprise-Capital-Abteilungen anderer deutscher Finanzkonzerne können sie unabhängig agieren, müssen bei ihren Engagements nicht darauf achten, ob diese für den Mutterkonzern strategisch sinnvoll sind. „Uns geht es darum, mit unseren Investments Geld zu verdienen“, betont Tirtey.
„Wer in einer so frühen Section in Unternehmen investiert wie wir und nie ein Vollabschreibung hatte, der ist unter Umständen zu wenig Risiko eingegangen“, sagt der Co-Chef von CommerzVentures.
Dieser Ansatz kommt bei Fintechs und anderen Investoren intestine an. Enterprise-Capital-Abteilungen von anderen Unternehmen haftet nämlich der Makel an, zwischen strategischen und finanziellen Interessen hin und her zu wechseln. Zudem fehlt es bei ihnen in der Regel an Kontinuität, weil Supervisor innerhalb eines Konzerns häufig nach drei Jahren in die nächste Abteilung wechseln. Das passt jedoch nicht zur Begleitung von Begin-ups, bei denen sich Erfolge oft erst nach fünf bis zehn Jahren einstellen.
Totalausfälle gehören zum Geschäftsmodell
Ins Leben gerufen hat CommerzVentures 2014 der damalige Commerzbank-Chef Martin Blessing. Er wollte mithilfe der Tochter auf dem Laufenden bleiben, welche neuen Entwicklungen und Geschäftsmodelle es im Finanzsektor gibt.
Wenn sich die Supervisor von CommerzVentures mit Firmen befassen, sprechen sie häufig Mitarbeiter der Commerzbank an, die sich im jeweiligen Bereich auskennen. Oft vermitteln sie auch direkte Gespräche mit den Begin-ups.
„So schlagen wir mehrere Fliegen mit einer Klappe“, erklärt Meisberger. Die Begin-ups seien froh über den Zugang zu den Ansprechpartnern bei der Commerzbank. Die Mitarbeiter der Financial institution lernten neue Technologien und Geschäftsmodelle kennen. „Und wir bekommen von ihnen wertvolles Suggestions, was uns bei der Entscheidung hilft, ob wir in das Begin-up investieren oder nicht“, betont Meisberger.
CommerzVentures sucht nach disruptiven Technologien und Produkten, die das Potenzial haben, um den Faktor zehn besser zu sein als das, was es bislang gibt. In Begin-ups aus dem Finanz- und Versicherungssektor werden dabei in den ersten beiden Finanzierungsrunden mit institutionellen Investoren zwischen drei und acht Millionen Euro investiert.
In diesem Stadium haben die Unternehmen meist schon ein fertiges Produkt und erste Umsätze, allerdings in überschaubarem Umfang. Meist schreiben sie rote Zahlen. Entsprechend hoch ist das Risiko, dass sie früher oder später pleitegehen. Auch CommerzVentures ist dies bei einem Funding bereits passiert, bei einem zweiten läuft es ebenfalls nicht intestine.
Co-Chef Tirtey bringt das jedoch nicht aus der Ruhe. „Wer in einer so frühen Section in Unternehmen investiert wie wir und nie eine Vollabschreibung hatte, der ist unter Umständen zu wenig Risiko eingegangen“, sagt er. In einem typischen Enterprise-Portfolio von 15 Firmen gelinge in der Regel nur ein bis zwei Unternehmen der Durchbruch – und die seien am Ende verantwortlich für eine constructive Rendite.
Die Korken knallen erst nach einem Verkauf
Bei CommerzVentures liegt die Erfolgsquote mit vier milliardenschweren Begin-ups aktuell deutlich höher als im Branchendurchschnitt. Insgesamt haben die Frankfurter bisher in 25 Firmen investiert – und drei davon bereits wieder verkauft: Payworks, ein Anbieter von Zahlungssoftware, ging 2019 an die Kreditkartenfirma Visa. Curv, ein Technologieanbieter für digitale Belongings, wurde im Frühjahr 2021 vom US-Konzern PayPal geschluckt. Zudem hat CommerzVentures zum Jahresende seine Anteile an Marqeta verkauft.
Der nächste Exit zeichnet sich bereits ab: Die Handelsplattform eToro strebt in den USA an die Börse und könnte dabei mit rund zehn Milliarden Greenback bewertet werden.
Nach einem Börsengang gibt es üblicherweise eine sechsmonatige Periode, in der Alt-Investoren ihre Anteile nicht verkaufen dürfen. Anschließend versucht CommerzVentures jedoch, ihre Positionen zügig und kursschonend zu veräußern. „Bewertungsgewinne sind schön, aber flüchtig“, betont Meisberger. „Wir machen erst dann den Champagner auf, wenn wir eine Firma erfolgreich verkauft und das Geld in der Tasche haben.“
CommerzVentures besteht aus einer Managementgesellschaft, die den Partnern selbst gehört und die sich über ein Vehikel in geringem Umfang an allen Investitionen beteiligt. Die übrigen Gelder stammen bisher ausschließlich von der Commerzbank.
„Wir machen erst dann den Champagner auf, wenn wir eine Firma erfolgreich verkauft und das Geld in der Tasche haben“, betont der Co-Chef von CommerzVentures (Foto: Commerzbank)
Künftig soll sich das aber ändern. „Es ist vorgesehen, dass sich perspektivisch auch externe Geldgeber beteiligen können“, kündigt Meisberger an. „Das ist sinnvoll und wäre in unserer Evolution der natürliche nächste Schritt.“ Ob dies bereits beim nächsten Fonds der Fall sein wird, der bereits in Planung ist, werde gerade diskutiert.
Viele Gründer wollen jetzt die Welt verbessern
Investieren will CommerzVentures künftig verstärkt im Bereich Local weather Fintech, additionally in Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Finanzdienstleistungen und Nachhaltigkeit. „In diesem Bereich tummeln sich viele erfahrene Gründer, die schon Firmen aufgebaut und verkauft haben – und die jetzt etwas machen wollen, um die Welt zu verbessern“, berichtet Meisberger.
CommerzVentures hat sich im Nachhaltigkeitssektor in diesem Jahr bereits an zwei schwedischen Unternehmen – Doconomy und ClimateView – beteiligt und will in dem Bereich „künftig noch mehr investieren“.
Chancen sieht die Wagniskapitalgesellschaft auch im Geschäft mit Kryptowährungen, in das immer mehr Banken und Profi-Investoren einsteigen. CommerzVentures sei deshalb unter anderem an Firmen interessiert, die Angebote für institutionelle Anleger entwickelt haben – beispielsweise im Bereich Regulierung oder Kundenidentifizierung, sagt Tirtey.
Im Zahlungsverkehr sieht er großes Potenzial für Unternehmen, die industriespezifische Lösungen anbieten. „Mithilfe von Technologien kann man Zahlungsvorgänge in vielen Branchen vereinfachen, etwa im Gesundheitssektor oder in der Bauindustrie.“
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