Und wieder schließt ein Live Club auf St. Pauli. Das Molotow. Das sollte Hamburg nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Vor einigen Jahren starteten ein paar St. Paulianer einen kühnen Versuch: den Kiez als immaterielles Kulturerbe von der Unesco küren zu lassen. Der kulturelle Mix aus Kunst und Kommerz, Sex und Suff und der uneingeschränkten Offenheit und Toleranz sei einzigartig – und schützenswert.
Die Idee mag etwas naiv daherkommen. Doch die Sorge, dass der Kiez in Gefahr ist, scheint nicht unbegründet. Denn zumindest der Kultur geht es an den Kragen: Die Sternenbrücke-Clubs „Fundbureau“, „Waagenbau“, „Beat Boutique“ und „Astra Stube“ müssen schließen oder werden verdrängt. Das „Pal“ im Karoviertel macht auch zu.
Molotow macht dicht
Ein weiteres Opfer ist nun das Live-Club-Urgestein „Molotow“, das vom Vermieter die Kündigung für den Sommer 2024 erhalten hat. Es ist nicht das erste Mal, dass der Club vor die Tür gesetzt wird. In der Nacht vom 14. Dezember 2013 mussten die Location und die umliegenden Esso-Hochhäuser evakuiert werden. Akute Einsturzgefahr, hieß es. Der Abriss kam schnell. Das Molotow musste noch zweimal umziehen, bis es am heutigen Standort am Nobistor, ganzen hinten auf der Reeperbahn, gelandet ist.
Nun geht es auch dort nicht weiter. Das Haus soll abgerissen werden und ein Hotel der zum Hyatt-Konzern gehörenden Lindner-Gruppe entstehen. Als ob rund um den Kiez zuletzt nicht genug Hotels eröffnet hätten.
Viele neue Hotels auf dem Kiez
Zwei Häuser neben dem Molotow musste 2012 der Elektroschuppen Tunnel und das Café Möller einem „Hotel am Beatlesplatz“ weichen. 2018 kam das „Prizotel“ unweit der Reeperbahn mit 257 Zimmern dazu. Das „Premier Inn“ an der Budapesterstraße/Simon-von-Utrecht-Straße eröffnete 2020 mit 219 Zimmern. Und im Frühjahr soll das Hotel auf dem Bunker auf dem Heiligengeistfeld mit 134 Zimmern seine Pforten öffnen.
Also nur noch Hotels? Nein, neben der Hotel-Schwemme kämpft der Kiez mit der Flut an Kiosken. Kleine Kneipen oder auch Cafés müssen kulturfreien Kiosken, die Wodka-Bomben und Billig-Snacks verkaufen, weichen. In einigen Straßen reihen sich die Spätis direkt aneinander. Monokulturen sind immer gefährlich. Auch für den Kulturstandort Hamburg.
Denn die Gäste werden irgendwann ausbleiben, wenn vom Charme der Stadt nichts mehr übrig ist. Auf Hamburgs Kiez zeigt sich, dass der Markt vielleicht doch nicht alles regelt, sondern ein wenig Führung braucht. Sonst droht St. Pauli zu einer seelenlosen Hotelkulisse zu verkommen, in der man sein Dosenbier vorm Kiosk schlürft und über die guten, alten Zeiten schwadroniert, als es noch Live-Musik in Clubs gab.