Berlin, Frankfurt Der Volkswirt Joachim Nagel löst Jens Weidmann an der Spitze der Bundesbank ab. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe den 55-Jährigen für diesen Posten vorgeschlagen, erfuhr das Handelsblatt aus Regierungskreisen. Das Vorschlagsrecht liegt bei Scholz, die Personalie soll aber im Einvernehmen mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erfolgen.
Wie bereits bekannt wurde, gilt Nagel in der FDP als „stabilitätsorientierter Sozialdemokrat“. Die Zustimmung gilt damit als sicher. Nagel warfare 17 Jahre lang bei der Bundesbank tätig – davon sechs Jahre im Vorstand. Er wechselte 2017 zur Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und dann im Jahr 2020 zur Financial institution für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), wo er Deputy Head of Banking ist.
Finanzminister Lindner schrieb auf Twitter: „Angesichts von Inflationsrisiken wächst die Bedeutung einer stabilitätsorientierten Geldpolitik. Er ist eine erfahrene Persönlichkeit, die Kontinuität der Bundesbank sichert.“
Isabel Schnabel, Direktorin der Europäischen Zentralbank (EZB), die auch als mögliche Besetzung für den Chefposten der Bundesbank galt, gratulierte umgehend per Tweet und merkte an: „Es liegen viele wichtige Aufgaben vor uns.“
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In einem Kommentar der DZ Financial institution heißt es: „Die Neubesetzung ist eine gute Wahl. Der promovierte Volkswirt bringt die notwendige geldpolitische Experience mit und steht als Eigengewächs der Bundesbank für die ordnungspolitische Custom dieser Establishment.“
Joachim Nagel kennt die Bundesbank sehr genau. Er stieg dort zum Zentralbereichsleiter und später zum Vorstand für Märkte, Rechnungswesen und Organisation auf. Nun kehrt der mittlerweile 55-Jährige an seine alte Wirkungsstätte zurück. Als Nachfolger von Jens Weidmann rückt er an die Spitze der altehrwürdigen Establishment.
Weiter Hüterin der Preisstabilität?
Die Bundesbank genießt in Deutschland einen Ruf als Hüterin der Preisstabilität. Mehr als zehn Jahre lang hat der bisherige Präsident Jens Weidmann diesen Ruf verteidigt und weiter gefestigt – auch wenn er mit seinen Positionen im EZB-Rat meist in der Minderheit warfare.
Mit Nagel hat sich die neue Ampelkoalition auf einen klassischen Kompromisskandidaten als Nachfolger geeinigt, der vor allem SPD und FDP entgegenkommt. Der Ökonom ist SPD-Mitglied und arbeitete zwischen seinem Volkswirtschaftsstudium in Karlsruhe und der Promotion als Referent für den SPD-Parteivorstand in Bonn. In seiner Zeit als Bundesbank-Vorstand hat er die Anleihekäufe der EZB kritisch kommentiert – was bei der FDP auf Zustimmung stoßen dürfte.
SPD hätte gern eine Frau gesehen
Die SPD konnte sich nach Handelsblatt-Informationen lange Zeit auch intestine eine Frau an der Spitze der Bundesbank vorstellen. Noch nie wurde die Bundesbank in ihrer Geschichte von einer Frau geführt. Dafür infrage kamen unter anderem die Vizepräsidentin der Bundesbank, Claudia Buch, und allen voran Isabel Schnabel, die als Direktorin der EZB eine Artwork oberste geldpolitische Botschafterin der Notenbank ist.
Gleichzeitig soll auch einer der engsten Vertrauten von Scholz, sein bisheriger Staatssekretär und jetziger Wirtschaftsberater im Kanzleramt, Jörg Kukies, sein Interesse an Schnabels Direktoriumsposten bei der EZB bekundet haben. So erzählt man es sich zumindest in Frankfurt.
Doch diese Personalrochade kam nicht zustande, weil es gegen die beiden Frauen Widerstand gab. Buch galt im politischen Berlin als zu unauffällig, viele trauten ihr den nächsten Karrieresprung noch nicht zu. Gegen Schnabel wiederum gab es in der FDP große Vorbehalte.
Schnabel stützt aus Sicht der Liberalen zu kritiklos den geldpolitischen Kurs der EZB. Viele in der FDP fürchten, sie würde als Bundesbank-Präsidentin mit dem bisherigen Kurs der deutschen Notenbank brechen. Anders als Schnabel ist Nagel trotz seines SPD-Parteibuchs dagegen in der FDP hoch angesehen.
Obwohl SPD-Mitglied, ticke Nagel eher ordnungspolitisch, heißt es aus der FDP. Nagel kenne sich zudem in der Geldpolitik aus. Er bringe darüber hinaus viel internationale Erfahrung mit, kenne aus seiner früheren Zeit als Vorstand aber auch die Bundesbank sehr intestine.
Zudem soll es gegen den Wechsel Schnabels auch innerhalb der EZB und von anderen Euro-Ländern Widerstand gegeben haben. Schnabel wäre nach Jürgen Stark, Jörg Asmussen und Sabine Lautenschläger bereits das vierte deutsche Direktoriumsmitglied der EZB gewesen, das innerhalb eines Jahrzehnts vorzeitig aus dem Amt ausscheidet. Dabei sind diese Ämter auf sechs Jahre angelegt. Manche Euro-Staaten sollen deshalb schon die Frage aufgebracht haben, ob Deutschland angesichts der vielen personellen Fluktuationen überhaupt noch ein fester Sitz im EZB-Direktorium zustehen soll.
In vielen Gremien aktiv
Die Frage ist nun, ob Nagel eine ähnlich kritische Place wie sein Amtsvorgänger Jens Weidmann zur Geldpolitik der EZB einnimmt oder stärker andere Akzente setzt. Zuletzt arbeitete Nagel für die Financial institution für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), eine Artwork Dachverband der Notenbanken weltweit. Dort warfare er Vizechef für Banken. Außerdem arbeitete er von 2016 bis 2020 für die KfW und verantwortete dort unter anderem im Vorstand das internationale Geschäft.
Innerhalb der Bundesbank hatte Nagel während seiner Tätigkeit dort einen guten Ruf. Er warfare schon damals in vielen globalen Gremien aktiv. Dass er die Notenbank dennoch verließ, führten Beobachter unter anderem darauf zurück, dass eine zweite Amtszeit aus politischen Gründen nicht sicher warfare. Die SPD hatte ihn 2014 für den frei werdenden Vizechefposten der Bundesbank favorisiert. Damals jedoch hatte die CDU bei den vorherigen Wahlen nur knapp die absolute Mehrheit verfehlt und warfare gegenüber der SPD deutlich in der Oberhand. Die CDU entschied sich für Claudia Buch und gegen Nagel. Nun haben sich die politischen Mehrheitsverhältnisse grundlegend geändert, wovon Nagel profitiert.
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