Unter Helmut Kohl war Schäuble aufgestiegen, nach Kohl stürzte er ab. Die beiden Politiker zerstritten sich über die CDU-Spendenaffäre.
Helmut Kohl galt als der ewige Kanzler, Wolfgang Schäuble als dessen Allzweckwaffe. Ohne den Badener hätte sich der Pfälzer niemals 16 Jahre und 26 Tage lang an der Macht halten können, war unter anderem Schäubles jüngerer Bruder Thomas überzeugt.
1984 machte Kohl Schäuble zum Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, von 1989 bis 1991 dann zum Bundesinnenminister. Schäuble handelte nach dem Mauerfall in der DDR den Einigungsvertrag mit aus und gehörte zu den Architekten der Wiedervereinigung. Als Chef der Unionsfraktion sicherte er von 1991 an Kohls Regierungsmacht ab. Zur Bundestagswahl 1998 trat Kohl noch einmal an. Schäuble, der selbst Ambitionen hatte, soll vor Wut geschäumt haben.
Wolfgang Schäuble zu Helmut Kohl: „Keine Minute mehr“
Kohl verlor die Wahl, Schäuble wurde CDU-Chef. Dann zerbrach während der CDU-Spendenaffäre die Beziehung zu Kohl endgültig. Der Altkanzler sagte später, er habe noch nie in seinem Leben „einen solchen Hass gespürt“.
Zum Bruch kam es, wie unter anderem der „Spiegel“ schrieb, am Morgen des 18. Januar 2000 in Kohls Büro. „Ich habe in meinem Leben viel zu viel Zeit mit dir verbracht, und es wird keine Minute mehr geben“, soll Schäuble damals wütend hervorgestoßen haben. Kurz darauf trat er von seinem Posten als CDU-Chef zurück – und diesen Rücktritt lastete er auch Helmut Kohl an.
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Quelle: dpa
Zuvor war Schäuble selbst in den Strudel der Spendenaffäre geraten. Er hatte 1994 eine Plastiktüte mit 100.000 Mark Bargeld vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber bekommen. Die Spende an die Partei war nicht verbucht worden, wie auch andere Spenden in der Ära Kohl landete sie in schwarzen Kassen. Über die 100.000 Mark von Schreiber hatte Schäuble 1999 dem Parlament die Unwahrheit gesagt, jetzt stand er unter Druck.
Schäuble witterte eine Intrige
In dieser Situation bat er Kohl, endlich die Namen der Spender an die CDU zu nennen, um die Partei aus der Krise zu holen. Schäuble sah sich selbst in der Affäre eher als Opfer denn als Täter. „Natürlich kann man fragen: Warum muss man Barspenden annehmen?“, sagte er der „taz“ damals. „Aus heutiger Sicht würde man das nicht mehr tun. Aber 1994 hat das kein Mensch irgendwie verwerflich gefunden.“
Die Schreiber-Episode sei, „so weit es mich betrifft, völlig harmlos“ gewesen, behauptete Schäuble. Aber aus der Angelegenheit sei „eine Geschichte gemacht“ worden, die „wochenlang größere Bedeutung hatte als der ganze Rest der Finanzaffäre“. Helfershelfer auch aus der CDU hätten dazu beigetragen, deutete Schäuble im Interview mit der „taz“ an. Kohl soll der CDU unter Schäuble und seiner Generalsekretärin Angela Merkel im Zuge der Affäre immer wieder wichtige Informationen vorenthalten haben.
Schäubles Bruder: „Ich verabscheue Herrn Kohl“
Im Januar 2000 soll Schäuble dann in Kohls Büro gesagt haben, wenn sich der Altkanzler weiter weigere, die Namen der Spender zu nennen, müsse er, Schäuble, zurücktreten. Daraufhin soll Kohl sinngemäß erwidert haben, dazu habe Schäuble doch gar nicht den Mut.
Die Folge war ein Riss, der sich nie wieder kitten ließ. Schäubles 2013 verstorbener Bruder Thomas, einst Innenminister von Baden-Württemberg, sagte einen Tag nach dem Rücktritt des CDU-Chefs im Februar 2000: „Ich verabscheue Herrn Kohl. Und ich kann da für die ganze Familie sprechen.“
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Quelle: Reuters