Die AfD ist gegen den Bundesverfassungsschutz vor Gericht gezogen. In dem Prozess zieht sie alle Register, denn für die Partei steht viel auf dem Spiel.
Das Wichtigste im Überblick
Die AfD klagt derzeit gegen eine Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). In einem Berufungsverfahren geht die Partei von Alice Weidel und Tino Chrupalla vor dem 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster gegen den Inlandsgeheimdienst vor. Allein am Dienstag füllte die AfD mehrere Stunden in dem Prozess mit Vorbehalten gegen das Gericht und der Benennung zahlreicher Zeugen. t-online gibt einen Überblick.
Wer klagt gegen wen und warum?
Die AfD klagt gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Es hatte die AfD sowie die Jugendorganisation Junge Alternative (JA) im Jahr 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Diese Einstufung erlaubt die nachrichtendienstliche Überwachung der Partei und ihrer Jugendorganisation. Die AfD klagte 2022 gegen die Einstufung, verlor aber vor dem Verwaltungsgericht Köln.
Gegen dieses Urteil legte die Partei nun Berufung ein. Die nächsthöhere Instanz, das OVG in Münster, diskutiert also erneut, ob das BfV die AfD als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus behandeln darf. Das unabhängige Gericht prüft, wie sehr sich die Partei gegen die Grundpfeiler der Demokratie wendet.
Zum Hintergrund: Das Gericht in Köln hatte die Einschätzung des Verfassungsschutzes von 2021 unter Verweis auf Gutachten und Materialsammlungen der Behörde bestätigt und bezog sich dabei vor allem auf einen inhaltlichen Punkt. Sowohl der formal inzwischen aufgelöste Flügel des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke als auch die JA setze sich demnach für einen ethnisch verstandenen Volksbegriff ein. Das deutsche Volk müsse aus Sicht der Partei in seinem ethnischen Bestand erhalten, „Fremde“ müssten möglichst ausgeschlossen werden. Das stehe im Widerspruch zum Volksbegriff des Grundgesetzes, so das Gericht. Die Partei und die JA dürfen daher seit 2021 mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Beweise dafür brachte der Verfassungsschutz anhand von 275 Aktenordnern von Ermittlern sowie 15.000 Seiten Gerichtsakten vor.
Wie ist der Stand in dem Prozess?
Die prominenten Köpfe, die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla, sparten sich am Dienstag den Weg nach Münster. Stattdessen vertraten die Bundesvorstände Carsten Hütter und Roman Reusch die Partei. Reusch war Oberstaatsanwalt in Berlin, bis er von 2017 bis 2021 für die AfD in den Bundestag einzog. Sie brachten vor Gericht so viele Zeugen vor, dass die Richter den Prozess kurzerhand in die Eingangshalle des Hauses verlegten – auch wegen der vielen Journalisten vor Ort. Zudem zweifelten Reusch und Hütter den Senat des Gerichts in einem Befangenheitsantrag an.
Der Vorsitzende Richter Gerald Buck warf der AfD Rechtsmissbrauch vor. Die Partei habe für ihre Vorbehalte gegen den Senat keine neuen Argumente aufgeführt. Ihr Befangenheitsantrag sei pauschal und offensichtlich grundlos gestellt worden. Am Vormittag mussten Beobachter zwischenzeitlich den Gerichtssaal verlassen, weil die AfD für einen bestimmten Punkt, der nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Inhalte betraf, Medienvertreter und Zuschauer ausschließen lassen wollte. Dem folgte der Senat nicht. Nach rund elf Stunden unterbrach Buck die Verhandlung bis Mittwochmorgen.
Wie argumentiert die AfD?
Die AfD stellt in dem Prozess infrage, ob das Bundesamt für die Beurteilung der Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall eine gesetzliche Grundlage hat. Entscheidend sei allein das Grundgesetz, das den Parteien eine besondere Rolle in der Demokratie zuspricht, argumentiert sie.
Die AfD wird wohl behaupten, dass gesammelte Aussagen von Verbindungsleuten stammten, die der Verfassungsschutz in die Partei eingeschleust habe oder bezahle. Damit will sie die erlangte Materialsammlung in Zweifel ziehen. Der Gedanke dahinter: Der Inlandsgeheimdienst agiere nicht als Staatsschutz, sondern als Scharfmacher innerhalb der Partei.
Die Strategie ist abgeschaut: Im Jahr 2003 scheiterte ein NPD-Verbotsverfahren daran, dass zu viele Funktionäre der Partei zugleich Informationen an den Verfassungsschutz lieferten. Bis zu 15 Prozent der NPD-Vorstandsmitglieder in Bund und Ländern arbeiteten damals offenbar als Informanten.