Es war knapp: Die Mehrheit der FDP-Mitglieder will in der Ampelkoalition bleiben. Beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart steht die Partei dennoch vor einer Bewährungsprobe.
Sie weiß, dass es nicht einfach wird. Dass die Stimmung im Saal zwar gut sein könnte, dass es wie üblich Applaus geben wird, wenn die Fernsehkameras laufen. Aber auch, dass es bei den Gesprächen am Rande der Veranstaltung rumoren dürfte. Dort, wo offen geredet wird.
Judith Skudelny, 35 Jahre alt, ist die Generalsekretärin der FDP in Baden-Württemberg. Und an diesem Samstag wird sie das traditionelle Dreikönigstreffen ihrer Partei in Stuttgart mit einer kurzen Rede eröffnen. Es ist die erste größere Veranstaltung nach der Abstimmung über einen Verbleib in der Ampelkoalition. Die ging knapp aus, 52 zu 48 Prozent stimmten die FDP-Mitglieder dafür, weiterzuregieren. Das ist die Ausgangslage für Skudelny und für ihre gesamte Partei.
Kurz vor ihrem Auftritt am Samstag sagt sie also am Telefon: „Das Ergebnis war erwartbar. Ausgelöst wurde die Abstimmung durch die nicht guten Ergebnisse der Landtagswahlen in Hessen und Bayern und direkt vorher gab es noch das Urteil des Verfassungsgerichts zum Haushalt. Da war klar, dass die Unzufriedenheit hoch ist.“ Man habe trotzdem klargemacht, dass die Liberalen auch in schwierigen Zeiten „Verantwortung übernehmen“ wollen, fügt Skudelny dann noch hinzu.
Wie will die Partei künftig regieren?
So wie Judith Skudelny schauen viele Liberale zurzeit auf ihre Partei. Die Haltung lässt sich in etwa so zusammenfassen: Es ruckelt, aber wird schon. Nur ob es gut wird, das ist eben noch offen. Das Dreikönigstreffen in Stuttgart, mit dem sich die Liberalen in jedem Januar auf das politische Jahr einstimmen, ist damit eine Art Richtungsentscheidung: Parteichef Christian Lindner, sein Generalsekretär Bijan Djir-Sarai werden ihre Reden halten – und daran wird sich ablesen lassen, wie es weitergehen soll.
Denn das Votum zeigt eine gespaltene Partei. Die Fragen, die über allem schweben, könnten größer kaum sein. Sie lauten: Soll die FDP noch mehr durchsetzen, zur Not im harten Widerstand gegen den Kanzler? Wie will die Partei künftig regieren? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte?
Besonders interessant wird dabei der Auftritt des Parteichefs. Als „Ausdruck der Verantwortung für Deutschland“ betrachte er das Ergebnis der Mitgliederbefragung über einen Verbleib in der Ampelkoalition. So schrieb es Lindner am Neujahrstag auf der Plattform X (früher Twitter). Lindner hatte sich vorher mit einer klaren Empfehlung zurückgehalten, FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte hingegen für den Verbleib in der Koalition geworben.
Manche Liberale finden, die FDP könne zu wenig durchsetzen
Immerhin, trotz des knappen Ergebnisses gilt Lindner in der FDP weiter als unumstritten. Er ist der führende Kopf, die Bundestagsfraktion ist auf ihn ausgerichtet, innerhalb der Partei kann ihm niemand gefährlich werden. Das ist gut für den Parteichef, führt aber auch dazu, dass er selbst das Dilemma lösen muss. Es gibt keine Aufteilung an der Spitze, sodass ein Konterpart von ihm die Unzufriedenen besänftigen könnte. Generalsekretär Djir-Sarai steht hinter dem Parteichef. Lindner steht für beides: Weiterregieren und gleichzeitig weitestmöglich Opposition innerhalb der Regierung sein, um die 48 Prozent der Ampelgegner in der Partei nicht zusätzlich gegen sich aufzubringen.
Bislang zeichnete sich nach den Koalitionsausschüssen, den Gipfeltreffen zur Lösung der Streitpunkte in der Ampelregierung, ein eindeutiges Bild: Die FDP galt häufig als Gewinner, die Grünen eher selten und die SPD allenfalls als Vermittler. Doch die Anhänger der Partei scheinen das anders zu sehen: Viele sagen, dass die Liberalen bislang zu wenig durchsetzen konnten.
Frank Schäffler nennt das die „Vergrünung“ der Politik. Der 55-Jährige hatte im Sommer den Widerstand gegen das von Robert Habeck geplante Heizungsgesetz angeführt. Der Entwurf wurde grundlegend überarbeitet. Erst überzeugte Schäffler seine Partei, dann folgte die ganze Koalition seiner Linie. Schäffler war der Gewinner – doch verloren hatte wieder die Einigkeit der Regierung. Und jetzt? Wie soll es weitergehen?