Peking Li Bin wirkt zufrieden. Am Vortag hat der Gründer von Chinas E-Auto-Hoffnung Nio auf großer Bühne die neue Limousine ET5 vorgestellt. Nun geht es Li, der sich im Englischen William Li nennt, im Gespräch mit Journalisten im ostchinesischen Suzhou um den Markteintritt in Deutschland, der im nächsten Jahr ansteht.
Man werde „ziemlich spät im kommenden Jahr“ die ersten Autos in Deutschland anbieten, kündigt Li im Gespräch mit dem Handelsblatt und anderen Medien an. Zudem, so hatte es Li schon zuvor verkündet, will das Unternehmen auch nach Schweden, Dänemark und in die Niederlande expandieren. Bis 2025 wolle das Unternehmen Nutzer in mehr als 25 Ländern und Regionen erreichen.
Nio gilt manchen als Chinas Pendant zum kalifornischen Elektropionier Tesla. Obwohl das an der New Yorker Börse gelistete Unternehmen erst im Jahr 2014 gegründet wurde, hat es in den ersten zehn Monaten 2021 bereits den sechsten Platz der meistverkauften reinen Elektroautos in China belegt.
Von Januar bis November hat Nio laut eigenen Angaben insgesamt 80.940 Neufahrzeuge ausgeliefert, davon quick alle in China. Das entspricht einer Steigerung von mehr als 120 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
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In diesem Jahr ist Nio bereits in Norwegen gestartet. Im September hat das Unternehmen die ersten Verkaufsstellen in dem skandinavischen Land eröffnet. Offiziell gibt Nio keine Absatzzahlen zu einzelnen Märkten heraus. Laut Schätzungen seien in Norwegen aber gerade einmal 100 bis 200 Autos bislang verkauft worden.
Markteintritt in Deutschland
Wie viele Autos Nio in Deutschland verkaufen will, möchte Unternehmensgründer Li auf Nachfrage nicht äußern. Man sei noch dabei, den Businessplan zu finalisieren, sagt er. Bei Nio geht es aber nicht nur um die Fahrzeuge, sondern auch um sogenannte Batteriewechselstationen. Denn: Eines von Nios Verkaufsargumenten in China sind ebendiese Stationen. Anstatt die Akkus der Fahrzeuge aufzuladen, können Nio-Fahrer sie auch einfach innerhalb von wenigen Minuten an einer der Stationen austauschen lassen. In China hat Nio bereits rund 700 von diesen Wechselstellen installiert. Das Unternehmen liegt damit über dem selbst gesteckten Ziel von 500 Stationen in diesem Jahr. In Norwegen will Nio bis Ende kommenden Jahres 20 Batteriewechselstationen installieren.
Der Markteintritt in Deutschland wird zunächst vor allem erst einmal zusätzliche Kosten verursachen, ohne dass daraus innerhalb der nächsten Jahre auch Gewinne generiert würden können. Nio gehe nach Deutschland, um in möglichst vielen Märkten aktiv zu sein, glaubt Zhang Xiang vom Automobil Business Innovation Heart an der North China College of Know-how in Peking.
Es wolle zu einem internationalen Unternehmen werden. „Wenn Nio additionally Verkäufe in vielen Ländern vorweisen kann, auch wenn sie noch so klein sind, wird das die Fassade aufpolieren, den Aktienkurs in die Höhe treiben und die Finanzierung erleichtern“, glaubt Zhang.
Die Growth von Nio nach Europa hat aber noch einen anderen Grund: China werde bei Elektrofahrzeugen immer kompetitiver, sagt Edison Yu, Analyst für Chinas Mobilitätsbranche bei der Deutschen Financial institution in New York. „In Europa gibt es nicht annähernd so viele Elektroauto-Begin-ups, und auch die großen Tech-Unternehmen steigen nicht so stark ins Elektroauto-Geschäft ein wie in China“, so Yu.
Schon jetzt tummeln sich laut Schätzungen rund 300 Anbieter auf dem chinesischen Markt für Elektroautos – und es kommen immer neue hinzu. Insbesondere große Konzerne, die zuvor nichts mit der Branche zu tun hatten, haben in den vergangenen Monaten milliardenschwere Investitionen verkündet, um in die eigene Produktion von Elektroautos einzusteigen.
So sind der Smartphone-Hersteller Xiaomi, der Suchmaschinenbetreiber Baidu, Chinas Google, und sogar der hochverschuldete Immobilienentwickler Evergrande in das Geschäft eingestiegen.
Begrenztes Verkaufspotential
Nio ist nicht das erste chinesische E-Auto-Unternehmen, das in Europa startet. Auch sein Schanghaier Wettbewerber Aiways, Xiaopeng (XPeng) aus dem südchinesischen Guangzhou, sowie Lynk & Co, eine Marke des größten chinesischen privaten Autoherstellers Geely, und der Shenzhener Autokonzern BYD versuchen bereits ihr Glück auf dem europäischen Markt.
Dennoch dürfte das Potenzial für Newcomer wie Nio in Deutschland zunächst begrenzt sein, sagt Deutsche-Financial institution-Analyst Yu. Er taxiert die untere Grenze des Absatzes bei rund 3000 Stück – ähnlich wie bei Lexus in Deutschland. Die obere Grenze liege bei 20.000 Fahrzeugen, das entspreche ungefähr den Land-Rover-Verkaufszahlen hierzulande vor Beginn der Pandemie.
Anstatt den Akku des Autos aufzuladen, können Nio-Fahrer diese in China auch einfach innerhalb von wenigen Minuten an einer der Stationen austauschen lassen.
(Foto: Reuters)
Nio hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Im vergangenen Jahr stand das Unternehmen noch kurz vor der Pleite und musste mit Staatsgeld gerettet werden. Eine Investorengruppe um das staatliche Unternehmen Hefei Metropolis Development and Funding Holding griff Nio finanziell mit umgerechnet rund einer Milliarde US-Greenback unter die Arme. Nio hat insgesamt vergleichsweise enge Verbindungen zum chinesischen Staat. So produziert es seine Autos gemeinsam mit dem staatlichen Autohersteller Anhui Jianghuai Car (JAC).
Laut Experten gab es drei Gründe dafür, dass es bei dem Unternehmen so schlecht lief. Erstens, die Pandemie mit all ihren Konsequenzen für Produktion und Absatz und zweitens eine Kürzung bei den Subventionen für Elektroautos in China. Den dritten Grund hat Nio selbst zu verantworten, weil das Unternehmen sich mit Investitionen übernommen hatte.
Seit seiner Gründung im Jahr 2014 hat Nio noch keinen Gewinn erzielt. „Nio ist immer noch ein Begin-up-Unternehmen“, erklärt Li. „Wir investieren noch viel in unsere Zukunft, deshalb können wir jetzt noch keinen Gewinn machen.“
Man sei aber in einer gesunden und tragfähigen finanziellen State of affairs, so Li. „Wir sind aktuell in einer Lage, die sich sehr von der im Jahr 2019 unterscheidet“, so Li. Wann das Unternehmen Gewinn machen soll, darüber will er jedoch keine Aussage treffen.
Mehr: Chinas E-Auto-Hersteller überschwemmen den eigenen Markt. Ein Kommentar