Campino von den Toten Hosen ist in seiner Heimatstadt Gastprofessor an der Heinrich-Heine-Uni. Seine erste Vorlesung ist emotional.
Wenn sich anderthalb Stunden vor Vorlesungsbeginn auf dem Campus der Düsseldorfer Universität eine lange Schlange bildet und ein Sicherheitsdienst den Einlass zum Hörsaal regelt, muss etwas Besonderes anstehen. Da einige Studierende in der ersten Reihe Pullis der Band Tote Hosen tragen, lässt sich schnell erahnen, wer an diesem Dienstagnachmittag die Vorlesung mit dem Titel „Kästner, Kraftwerk, Cock Sparrer: Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik“ halten wird: Tote-Hosen-Frontmann Campino hat sich angekündigt.
Der 61-Jährige ist nach Helmut Schmidt, Juli Zeh, Siegfried Lenz, Joschka Fischer, Ulrich Wickert, Joachim Gauck und zuletzt Klaus-Maria Brandauer Gastprofessor 2024 der Heinrich-Heine-Universität. Wie Rektorin Anja Steinbeck mitteilt, gab es rund 30.000 Anfragen für die 550 Plätze. Am Ende musste das Los entscheiden.
„Opel-Gang“ zum Start
Steinbeck sagt vorab, Campino sei als Gastprofessor eine fast zwingende Besetzung. Schon Professur- und Uni-Namensgeber Heinrich Heine sei gegen Establishment und überkommene Konventionen angetreten. „Als Systemkritiker kann ich kaum noch herhalten. Ich komme als Elder Statesman“, entgegnet Campino. „Ich bringe nichts mit, außer Begeisterung für Texte, die mir etwas bedeuten.“
Für die musikalische Begleitung bringt Campino Verstärkung aus der Band mit – Gitarrist Kuddel ist an seiner Seite. Zum Start gibt es eine Akustikversion von „Opel-Gang“, eines der ersten Lieder der Toten Hosen. Die Bandkollegen Andi und Breiti verfolgen das alles aus den ersten Reihen. Auch die Musiker und Freunde der „Hosen“, Thees Uhlmann und Sammy Amara (Broilers), sitzen im Hörsaal und wollen sich die Vorlesung nicht entgehen lassen.
Campino erzählt, dass er selbst einmal Student der Heinrich-Heine-Universität war. Anfang der 1980er-Jahre war das. „Aus terminlichen Gründen“ habe er es aber nicht oft geschafft, zur Uni zu gehen.
Im Jahr 1985 war er aber ganz sicher vor Ort, als die Band einmal in der Mensa auftrat – allerdings mit keinem schönen Ende für den Saal, denn der wurde regelrecht verwüstet. „Wir sind gut beraten gewesen, uns nicht häufiger zu sehen“, fasst Campino seine Zeit mit der Hochschule zusammen. „Das waren andere Zeiten“. Dass er nun Gastprofessor ist – damals nicht vorstellbar für den Sänger, der über sich selbst sagt, er sei jetzt nur noch ein 61 Jahre alter Mann, „der durch die Gegend schleicht“.
Bei „Nur zu Besuch“ kommen Campino die Tränen
In der Vorbereitung auf die Vorlesung habe er Hunderte Gedichte gelesen, aber eine besondere Analyse solle man trotzdem nicht erwarten. Er erzählt dann lieber von Texten, die die Band und ihn selbst beschäftigten und inspirierten. Es gehe um die Leidenschaft für Texte, für ihn gebe es nichts Schöneres als Sprache. Eine große Rolle spielt dabei Erich Kästner, sein Lieblingsschriftsteller. Aber auch Liedermacher Hannes Wader, Freddy Quinn, Bertolt Brecht („Hatte ich früher nicht so auf dem Schirm“) und die eigene Vergangenheit – etwa mit seinem Vater – sind Themen.
Höhepunkte der Vorlesung sind die Lieder, die Campino zusammen mit Kuddel vorträgt. Sie spielen unter anderem „Das Model“ von Kraftwerk, Kästners „Stimmen aus dem Massengrab“ und eigene Songs wie „Liebeslied“, „Draußen vor der Tür“, „Europa“, „Böser Wolf“ und „Auflösen“.
Bei „Nur zu Besuch“, das Lied schrieb Campino nach dem Tod seiner Mutter, kann er kurz nicht weitersingen. Es kommen ihm die Tränen. „Habe ich zu nah an mich herankommen lassen“, sagt er nach dem Song, der am Dienstag noch einmal eine zusätzliche Bedeutung für alle „Hosen“ hat. Campino widmet ihn seinem langjährigen Begleiter und Freund Manfred Meyer, der am 2. April 70 Jahre alt geworden wäre.
Wer wird nächster Gastprofessor?
Am Ende verabschiedet sich Campino mit dem Satz: „Vielen Dank für die Geduld.“ Er stapelt damit sehr tief. „Ich wusste, dass es gut werden wird. Aber so gut? Ich bin sehr beeindruckt“, sagt Rektorin Steinbeck. Und wer soll der nächste Gastprofessor werden? Campino fallen auf Anhieb drei Namen ein: sein dicker Kumpel, Rapper Marteria, Felix Brummer aka Felix Kummer von Kraftklub und „Monchi“ von Feine Sahne Fischfilet.