Berlin Die Bundesregierung wendet sich bei der EU-Kommission klar gegen die Einstufung von Atomkraft als nachhaltige Energiequelle, unterstützt aber eine entsprechende Einstufung von Gasoline als Brückenlösung, hält die bislang geplante Umsetzung aber nicht für akzeptabel. Das geht aus der deutschen Stellungnahme zur sogenannten Taxonomie hervor, die dem Handelsblatt vorliegt. Sie wurde am Freitagabend an die Kommission übermittelt.
Während bei der Einstufung der Atomenergie in Berlin früh Einigkeit herrschte, wurde bis zuletzt um die Positionierung beim Gasoline gerungen, verlautete aus dem Umfeld der Regierung. In der Stellungnahme heißt es nun, die Nutzung von Erdgas sei langfristig nicht nachhaltig.
„Jedoch bildet für die Bundesregierung der Brennstoff fossiles Gasoline in hochmodernen und effizienten Gaskraftwerken für einen begrenzten Übergangszeitraum – bis zur Umstellung auf einen auf erneuerbaren Energien beruhenden Energiesektor – eine Brücke.“
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass Gasoline- und Atomkraftwerke unter bestimmten Voraussetzungen als „grüne“ Investitionen eingestuft werden. Die „Taxonomie“ definiert, welche Bereiche der Wirtschaft als klimafreundlich gelten.
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Bis zu diesem Freitag um Mitternacht konnten Deutschland und die 26 weiteren EU-Mitgliedstaaten zum Vorschlag der Kommission Stellung beziehen. Im Anschluss will die Kommission aus dem Entwurf einen offiziellen sogenannten delegierten Rechtsakt machen – und so den nächsten Schritt zur Umsetzung einleiten.
Bei der Debatte um Erdgas als nachhaltige Investitionsmöglichkeit hatten sich in Berlin vor allem zwischen FDP und Grünen Gräben aufgezeigt. Während die FDP Gasoline auf jeden Fall als nachhaltig einstufen wollte und Parteichef Christian Lindner gar noch auf eine Ausweitung der Investitionsmöglichkeiten pochte, äußerten die Grünen um Robert Habeck Zweifel. „Die Vorschläge der EU-Kommission verwässern das gute Label für Nachhaltigkeit“, hatte er kürzlich gesagt.
Noch deutlicher äußerte sich Umweltministerin Steffi Lemke: „Ich bin überzeugt, dass weder für Erdgas noch für Atomkraft die Einstufung als nachhaltig in der Taxonomie nötig ist.“
Die Bundesregierung hatte am Freitagabend die Pläne der EU-Kommission in einer Stellungnahme scharf kritisiert.
Bundesregierung führt Verbesserungsvorschläge auf
Die Stellungnahme bildet nun offensichtlich einen Kompromiss ab, wenn sich auch manche bei den Grünen nicht zufrieden zeigen dürften. Grund dafür ist, dass Gaskraftwerke aktuell mit fossilem Erdgas arbeiten. Bis wann die Umstellung auf mithilfe von Wasserstoff erzeugtem Gasoline gelingt, ist fraglich.
Deshalb fordert die Bundesregierung die EU-Kommission in ihrer Stellungnahme auf, einen konkreten Zeitpunkt für die vollständige Umstellung der Kraftwerke festzulegen. Einen Vorschlag dafür macht Berlin allerdings nicht. Vielmehr heißt es: Entscheidend für die Einstufung als Übergangstechnologie sei, dass die Gaskraftwerke die schnelle Umstellung auf erneuerbare Energien und die Reduktion der Emissionen im Energiesektor insgesamt unterstützten.
Wegfallen sollen allerdings die Zwischenstufen, die der Taxonomie-Vorschlag bislang nennt. Diese hält die Bundesregierung nicht für zielführend. Brüssel hatte bislang folgende Zwischenschritte vorgeschlagen: Bis 2026 müssten die Kraftwerksbetreiber 30 Prozent und vier Jahre später 55 Prozent grün-hergestelltes Gasoline beimischen, um weiter die Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen.
Die Bundesregierung warnt davor, dass bei diesem Vorgehen die Umstellung auf Wasserstoff in anderen Sektoren wie der Industrie behindert werden könnte, weil es zu diesen frühen Zeitpunkten noch zu knapp sei.
Insgesamt bewegt sich die Stellungnahme damit recht nah an den von der FDP geäußerten Vorstellungen. Deren energiepolitische Sprecher, Michael Kruse, zeigte sich entsprechend erfreut. Es würden „klare Zielstellungen für Gasoline als Übergangstechnologie formuliert. Die deutsche Kommentierung zur Taxonomie ist klar und zukunftsorientiert“, sagte er dem Handelsblatt.
Allerdings können sich die Grünen auf einige andere Änderungsvorschläge in der Stellungnahme berufen, die etwa den Ersatz von von alten durch neue Gaskraftwerke forcieren sollen.