Berlin Bund und Länder wollen die PCR-Assessments angesichts rasant steigender Corona-Fallzahlen stärker priorisieren. Das geht aus der Beschlussvorlage zur Konferenz der Länderchefs mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag hervor. „Die derzeit hohe und voraussichtlich weiter steigende Zahl der Neuinfektionen führt zu Engpässen bei den verfügbaren PCR-Assessments“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters aus dem Entwurf.
Künftig sollen PCR-Assessments auf weak Gruppen und Beschäftigte, die diese betreuen und behandeln, begrenzt werden – additionally auf das Private in Krankenhäusern, Praxen sowie in der Pflege. Außerdem ist in dem Papier von der Entwicklung einer Öffnungsperspektive die Rede.
Der Expertenrat der Bundesregierung hatte vor Bekanntwerden des Entwurfs erneut vor einer Überlastung des Gesundheitssystems und einer Gefährdung der kritischen Infrastruktur gewarnt. Außerdem beklagte er die schlechte Informationslage im Kampf gegen die Omikron-Variante des Coronavirus.
„Im Second bedient sich Deutschland zur Einschätzung der Omikron-Variante vorrangig ausländischer Untersuchungen, zum Beispiel aus Großbritannien, Dänemark und den USA“, heißt es in der Stellungnahme. Diese Daten seien zwar für die Bewertung der aktuellen Lage und potenzieller Szenarien von hohem Wert, ihre Übertragbarkeit auf Deutschland sei aber limitiert, was die Möglichkeit von Fehleinschätzungen impliziere.
Dem 19-köpfigen Expertenrat gehören unter anderem die Virologen Hendrik Streeck und Christian Drosten an. Das Gremium fordert eine umfassende Digitalisierung des Gesundheitswesens und die Einführung einer elektronischen Patientenakte.
Prime-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Sonntag 85.440 Neuinfizierte. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 806,8 und damit auf einen Höchstwert. Der Höhepunkt der fünften Welle wird indes erst Mitte Februar erwartet.
Die mittlerweile dominierende Omikron-Variante, die als deutlich ansteckender als die Delta-Mutante gilt, geht mit einem tendenziell milderen Verlauf einher. Wer geimpft oder gar geboostert ist, hat ein deutlich geringeres Risiko, schwer zu erkranken. Dennoch seien bei weiter steigenden Inzidenzen sehr viele Krankenhausaufnahmen zu erwarten, warnt der Expertenrat. Bei den Aufnahmen auf Intensivstationen werde der Anstieg der Omikron-Welle langsam sichtbar.
Laut Tagesreport des Divi-Intensivregisters waren am Sonntag 2426 Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung erfasst – und damit 28 mehr als am Vortag. Das conflict der erste Anstieg seit Mitte Dezember.
Das hochdynamische Infektionsgeschehen erfordert nach Meinung des Expertenrats „eine Beibehaltung und strikte Umsetzung der bisherigen Maßnahmen“. Zudem könnten bald weiter gehende Maßnahmen zur Infektionskontrolle notwendig werden. Um die Dynamik zu brechen, fordern die Experten eine „Intensivierung der Boosterkampagne“. Langfristig sei es dringend erforderlich, die verbliebenen Immunitätslücken in der Gesellschaft durch Impfungen zu schließen.
Scholz sieht momentan keinen Anlass für ein Umsteuern bei den Coronamaßnahmen. „Es ist jedenfalls sicher nicht angebracht, mitten in der Omikron-Welle auf breiter Entrance die Regeln zu lockern“, sagte er in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ mit Blick auf die anstehenden Coronaberatungen. „Wir brauchen keine Kurskorrektur.“ Das Land sei auf dem richtigen Weg.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hatte sich zuvor ebenfalls gegen Lockerungen ausgesprochen – aber auch gegen Verschärfungen. Die stark steigenden Inzidenzen spielten zwar eine Rolle, aber: „Wir müssen ein Stück weit umdenken gegenüber den früheren Infektionswellen“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in der ARD. „Wir haben es mit einem neuen Gegner zu tun, deswegen muss man insoweit auch seine Strategie anpassen.“
Auch CSU-Chef Markus Söder sprach sich am Sonntag gegen verschärfte Maßnahmen aus. Vielmehr gehe es um die Anpassung der Regeln an einzelnen Stellen, sagte Bayerns Ministerpräsident der „Augsburger Allgemeinen“. „Omikron ist nicht Delta, deshalb können wir die Maßnahmen auch nicht eins zu eins von der einen auf die andere Mutation übertragen“, sagte Söder. Der entscheidende Maßstab sei die Belastung des Gesundheitssystems.
Allgemeine Impfpflicht: SPD-Vize Dirk Wiese nennt erste Einzelheiten
Um künftigen Coronawellen vorzubeugen, befürwortet Kanzler Scholz die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Er sei zuversichtlich, in der eigenen Regierung eine Mehrheit zustande zu bringen, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Ich wünsche mir die Mehrheit in jeder Hinsicht“, sagte Scholz weiter. „Im Volk. Im Parlament. In den Parteien.“ Zugleich verteidigte Scholz die Einstufung der Frage als Gewissensentscheidung.
Eine parlamentarische Orientierungsdebatte über die Impfpflicht soll es in dieser Woche geben. Ab Mitte März ist bereits eine Impfpflicht für Beschäftigte von Kliniken, Pflegeheimen, Arztpraxen und Rettungsdiensten vorgesehen. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese, der zusammen mit anderen Abgeordneten der Ampelkoalition Eckpunkte einer Impfpflicht ab 18 Jahren vorbereitet, nannte jetzt erste Einzelheiten.
Demnach soll die Impfpflicht auf ein bis zwei Jahre befristet sein, für nicht mehr als drei Impfungen gelten und über Bußgelder durchgesetzt werden, wie der Innen- und Rechtspolitiker der Deutschen Presse-Agentur sagte. Auf ein Impfregister will er wegen des zu großen Zeitaufwands verzichten. Ausnahmen sollen vom Amtsarzt kontrolliert werden.
Die SPD-Fraktion favorisiert laut der stellvertretenden Chefin Dagmar Schmidt mehrheitlich eine Impfpflicht für Erwachsene. Es gebe zwar noch einige Abgeordnete, die in Detailfragen nachdenklich seien, sagte sie dem Handelsblatt. Aber in der Grundrichtung herrsche breite Zustimmung. Ohne eine solche Pflicht wird es laut Schmidt nicht gelingen, Grundimmunität in der Bevölkerung und damit die endemische Lage zu erreichen.
Giffey und Dreyer werben für Impfpflicht
Sachsens Landeschef Michael Kretschmer (CDU) mahnte einen Vorschlag der Bundesregierung an. Die Impfpflicht einzuführen sei Aufgabe der Koalition in Berlin. Daher müsse die Regierung mit einem Vorschlag kraftvoll vorangehen, für ihren Vorschlag werben und andere mitnehmen.
„Es kann nicht sein, dass bei dieser Pandemie alle unangenehmen Themen an die Bundesländer, das RKI oder das Paul-Ehrlich-Institut weggewichtelt werden“, sagte Kretschmer dem Handelsblatt. Politik brauche Führung, vor allem in diesen schwierigen Fragen.
Auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) warben erneut für die allgemeine Impfpflicht. „Wenn es uns nicht gelingt, die Impfquote zu erhöhen, müssen wir uns intensiv mit einer Impfpflicht befassen, um unsere Gesellschaft davor zu schützen, dass wir auch im kommenden Winter noch wegen Corona auf so vieles verzichten müssen“, sagte Dreyer.
Bislang hatte es aus den Reihen der Ampelkoalition nur einen Antrag unter Federführung des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki (FDP) gegeben, der sich gegen eine allgemeine Impfpflicht ausspricht.
Mehr: Im Blindflug durch die Pandemie: Was die 100.000er-Marke über die Omikron-Welle aussagt