Der Ton wird rauer: In einem Brandbrief fordern Deutschlands Wirtschaftsbosse die Regierung zum Handeln und zu einem „Aufbruchssignal“ auf.
Deutschlands führende Wirtschaftsverbände schlagen Alarm – und richten sich mit einem Brandbrief jetzt direkt an Kanzler Olaf Scholz (SPD). Ihre Sorge: Deutschland droht abgehängt zu werden, wenn die Politik wichtige Reformen und Schritte verschlafe, die das Land fit für die Zukunft machen.
Wörtlich heißt es in dem Schreiben vom Dienstag, das t-online vorliegt: „Der Standort Deutschland verliert an Attraktivität. Der Frust und die Verunsicherung bei vielen Betrieben wachsen – und die Verlagerung von industrieller Produktion ins Ausland nimmt zu.“ Gleichzeitig seien immer weniger Menschen in Deutschland bereit ein eigenes Unternehmen zu gründen.
Über den Brief hatte zunächst die „Wirtschaftswoche“ berichtet. Unterzeichnet haben ihn die Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, der Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, und des Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich.
„Kein Verwalten des Status quo“
Gemeinsam fordern sie von der Ampel nun ein „kräftiges Aufbruchssignal“ sowie „langfristig verlässliche, wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen“, die bei den Unternehmen Vertrauen in die Politik und Zuversicht schafften. „Wir appellieren dringend an Sie und die gesamte Bundesregierung, jetzt Maßnahmen zu ergreifen, die einen wirtschaftlichen Aufbruch in unserem Land fördern“, heißt es weiter in dem Brief. „Die vor uns liegenden zwei Jahre bis zur Bundestagswahl dürfen kein Verwalten des Status quo sein.“
Konkret fordern die Verbände in einem achtseitigen Anlage zu dem Brief zum Beispiel schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, einen „Befreiungsschlag“ bei der Bürokratie, eine Steuerreform, ein „Stoppschild“ bei den Sozialversicherungsabgaben sowie Reformen bei der Rente – bei letzterer etwa die Anhebung der „Regelaltersgrenze über 67 Jahre hinaus“.
„Uns reißt der Geduldsfaden“
Beim Bürgergeld müsse neben dem Fördern das Fordern wieder stärker in den Fokus rücken. „Die ersten Schritte hierzu reichen nicht aus. Das System muss so verändert werden, dass deutlich mehr Anreiz zum Arbeiten besteht.“ Zudem solle die Regierung sich stärker um gezielte Zuwanderung von Ausländern bemühen und die Verwaltung ihrer Anträge digitalisieren.
Der Brandbrief ist nicht die erste scharfe Kritik aus der Wirtschaft an der Ampelregierung und ihrer Koalition. Zuletzt hatte etwa Arbeitgeberpräsident und Mitunterzeichner Rainer Dulger gesagt: Viele Firmenchefs seien schwer enttäuscht von der Politik.
„Uns reißt der Geduldsfaden“, so Dulger. „Mehr und mehr“ könne er inzwischen „manchen Wutbürger verstehen“. „Mir tut es weh, zu sehen, wie tief Deutschland in den letzten zwei Jahren gesunken ist.“ Auch Handwerkspräsident Jörg Dittrich hatte im t-online-Interview den Ton in Richtung Regierung unlängst verschärft und einen „Neustart in der Kommunikation“ der Ampel gefordert.