Düsseldorf Es ist der bislang größte Rückzug eines westlichen Unternehmens aus Russland: Der britische Ölmulti BP verkündete am Sonntagabend, seine Anteile am russischen Ölkonzern Rosneft zum Verkauf zu stellen. Der Aktienkurs brach daraufhin Montag früh um mehr als sechs Prozent ein.
Auch der norwegische Wettbewerber Equinor zieht sich aus Joint Ventures in Russland zurück. „In der gegenwärtigen State of affairs betrachten wir unsere Place als unhaltbar“, sagt Equinor-Chef Anders Opedal. Das Unternehmen ist seit mehr als 30 Jahren in Russland präsent und hatte 2012 eine strategische Zusammenarbeit mit Rosneft vereinbart. Norwegens Staatsfonds kündigt zudem den Verkauf seiner russischen Anlagen an.
Die deutschen Energieunternehmen geraten damit unter Zugzwang, halten sich mit solchen Ankündigungen aber bislang zurück. Dabei stehen die Verbindungen nach Russland, besonders im Erdgasgeschäft, nicht erst seit gestern in der Kritik. Innerhalb der Unternehmen soll das Thema nach Handelsblatt-Informationen derzeit deswegen auch heftig diskutiert werden.
Die wohl engsten Beziehungen nach Russland hatte jahrelang der Essener Energieversorger Eon. Der Konzern selbst ist seit elf Jahren an der bereits in Betrieb genommenen Gaspipeline Nord Stream 1 mit knapp 15 Prozent beteiligt. Nachdem die parallel in der Ostsee verlegte Pipeline Nord Stream 2 vorläufig gestoppt wurde, forderte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki am Samstag nun auch einen Stopp der ersten Verbindung.
Prime-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Das lehnt Eon allerdings ab. Schließlich sei Nord Stream 1 ein genehmigtes und voll operatives Projekt. „Insgesamt sehen wir Nord Stream 1 regulatorisch vollkommen unterschiedlich zu den laufenden Diskussionen um die Nord-Stream-2-Leitung, an der wir nicht beteiligt sind“, teilte das Unternehmen mit. Eon hat auch ein dringendes finanzielles Interesse, dass die erste Nord-Stream-Pipeline weiter in Betrieb bleibt. Die Gewinne aus der Beteiligung fließen in das Pensionsvermögen.
>>> Weitere Informationen: Rosneft-Ausstieg ist für BP die größte Zäsur seit Deepwater Horizon
Die restlichen Russlandaktivitäten hatte Eon 2015 an Uniper abgespalten. Das Unternehmen ist zum einen an der Finanzierung von Nord Stream 2 beteiligt. Zum anderen macht das Düsseldorfer Unternehmen einen Teil seines Umsatzes aber auch direkt in Russland – unter der Marke des Stromversorgers Unipro.
Den versuchen die Düsseldorfer zwar schon seit Längerem zu verkaufen, finden aber keinen Abnehmer. In der aktuellen Lage dürfte das nun nahezu unmöglich sein. Ob eine Kehrtwende in Sachen Russland ansteht, wollte Uniper nicht kommentieren. Die Aktie ist seit Wochen auf Talfahrt. Innerhalb eines Monats fiel sie um quick 40 Prozent – vor allem wegen des Russlandengagements.
Dritter im Bunde ist der Öl- und Gasförderer Wintershall. Das Unternehmen gilt als wichtigster deutscher Accomplice des russischen Staatskonzerns Gazprom. Beide halten je 50 Prozent am Joint Enterprise Achimgaz, das in Sibirien Gasoline fördert. „Unser Vorstand analysiert die State of affairs bereits sehr sorgfältig“, sagte ein Sprecher von Wintershall Dea.
So berichtet das Handelsblatt über die Entwicklungen im Ukrainekrieg:
Bislang hat sich diese Partnerschaft aber intestine bezahlt gemacht. Bei Wintershall steuerte das Russlandgeschäft 2021 immerhin 19 Prozent zum Betriebsgewinn bei. Die seit Monaten steigenden Gaspreise ließen den Gewinn zudem um 387 Prozent steigen. Bei Uniper sah es ähnlich aus.
Frage nach Entschädigung für Nord Stream 2
Die Verluste, die den Unternehmen im Zuge des Kriegs zwischen der Ukraine und Russland nun drohen, stehen dazu jedoch in keinem Verhältnis mehr. Zwar sind Energieunternehmen bewusst von den Sanktionen rund um das internationale Zahlungssystem Swift ausgenommen, dafür treffen andere Entscheidungen auch deutsche Versorger hart.
Zum Beispiel die Aussetzung des Genehmigungsverfahrens von Nord Stream 2. Uniper hat quick eine Milliarde Euro in den Bau der Pipeline investiert. Ähnlich sind Wintershall, OMV, Shell und Engie engagiert. Sie tragen 50 Prozent der Finanzierung, Gazprom den Relaxation.
Was ein endgültiger Stopp des Projekts für Uniper bedeuten würde, müsse man nun erst evaluieren, hatte Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach angekündigt. Wintershall hingegen geht bei einer Verhinderung der Pipeline von einer Entschädigung für die Projektgesellschaft aus. Es sei zurzeit kein belastbares Szenario denkbar, in dem es zu politischer Intervention ohne Entschädigung käme, heißt es im Geschäftsbericht.
>>> Weitere Hintergründe: Russlandgeschäfte bringen europäische Energiekonzerne in Bedrängnis
Auch wenn das bisher noch nicht abgeschlossene Zertifizierungsverfahren die Inbetriebnahme verzögere, rechne Wintershall Dea damit, dass die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Finanzinvestoren erfüllt werden.
Aber nicht nur in Deutschland zeigen sich gerade Energiekonzerne zurückhaltend, wenn es um die Aufgabe ihrer Geschäftsbeziehungen mit Russland geht. Auch der US-Ölkonzern Exxon Mobil, die britische Shell und der französische Complete-Konzern haben milliardenschwere Beteiligungen dort.
So hält Exxon Mobil 30 Prozent am Gasfeld Sakhalin 1 und bewertet seine russischen Aktivitäten aktuell mit vier Milliarden Greenback. Wettbewerber Shell ist mit ebenfalls knapp 30 Prozent ein Feld weiter bei Sakhalin 2 investiert. Währenddessen hält die französische Complete 20 Prozent an LNG-Pipelines. Auch hier gibt es für eine Kehrtwende bislang keine Anzeichen.
Mehr: Sorgt der Ukraine-Krieg für die Wende in der Energiewende?