Björn Höcke und seine AfD könnten den Thüringer Landtag am Donnerstag ins Wanken bringen. Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments steht auf dem Spiel.
Björn Höcke liebt es, die Parlamente vorzuführen. 2020 gelang ihm das vortrefflich, als er seine Fraktion darauf einschwor, in geheimer Wahl nicht etwa für den eigenen Kandidaten als Thüringer Ministerpräsidenten zu stimmen, sondern für den FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich. Lediglich dank der AfD-Stimmen wurde Kemmerich, dessen Fraktion nur knapp den Einzug in den Landtag schaffte, Ministerpräsident – allerdings nur für kurze Zeit.
Kemmerichs Wahl mit Stimmen der AfD war ein bisher einmaliger Vorgang, der bundesweite Verwerfungen nach sich zog: Kemmerich dankte rasch wieder ab, die damalige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer trat zurück, der Ostbeauftragte der Bundesregierung wurde entlassen, Thüringen war über Wochen nicht voll regierungsfähig. Es herrschte Chaos, im Land wie im Bund. Der AfD-Coup beherrschte alle Titelseiten.
Die AfD-Fraktion folgte mit ihrem Vorgehen einem Plan von Höcke. Man könne den eigenen Kandidaten wählen – „oder wir können Geschichte schreiben“, hatte Höcke in der AfD-Fraktionssitzung kurz vor der Abstimmung gesagt. So erzählt es sein Büroleiter Robert Teske in einem gerade erschienenen Höcke-Werbefilm mit dem Titel „Der lange Anlauf“, der von einem rechtsextremen Kollektiv gemacht wurde.
An diesem Donnerstag haben Höcke und seine Fraktion bei der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags wieder die Gelegenheit, Geschichte zu schreiben. Zwar nicht im selben Ausmaße wie 2020. Aber sie könnten erneut für Turbulenzen im Landesparlament sorgen, die erste Sitzung des Landtags sprengen und das Parlament so zeitweise lahmlegen.
Diesmal geht es dabei nicht um das Amt des Ministerpräsidenten. Höcke will mit einer anderen brisanten Personalie provozieren. Wenig gilt als sicher mit Blick auf den Ablauf dieser Sitzung – es gibt gleich mehrere Punkte, an denen es eskalieren könnte. Als sicher gilt aber, dass Höcke und seine Mitstreiter diese Gelegenheit nutzen.
AfD-Kandidatin wegen Betrugs verurteilt
Am Donnerstag geht es um die Wahl eines Landtagspräsidenten. Er ist das Oberhaupt des Parlamentes und seine Wahl notwendig, damit sich der Landtag überhaupt konstituieren und seine Arbeit aufnehmen kann.
Die AfD hat als Partei mit der stärksten Zustimmung bei der Landtagswahl das Anrecht darauf, den Kandidaten vorzuschlagen. Sie hat das bereits getan: Wiebke Muhsal, die von 2014 bis 2019 für die AfD im Landtag saß, soll Präsidentin werden, wenn es nach der AfD geht.

Schon die 38-jährige Juristin Muhsal als Kandidatin auszuwählen, darf als Provokation gewertet werden. 2016 sorgte sie für einen Eklat im Parlament, als sie zu einer Sitzung in Vollverschleierung erschien. Muhsal erklärte, sie wolle so gegen die „Entwürdigung der Frau“ protestieren. Andere Parteien warfen ihr vor, den Landtag als „billige Bühne“ zu missbrauchen. Die Sitzung des Landtags wurde damals unterbrochen, Muhsal kassierte einen Ordnungsruf.
2018 dann wurde Muhsal rechtskräftig wegen Betrugs verurteilt – und betrogen hatte sie das Thüringer Parlament. Das Oberlandesgericht sah es als erwiesen an, dass sie 2014 einen Arbeitsvertrag einer Mitarbeiterin um zwei Monate vordatiert hatte, um zusätzliches Geld von der Landtagsverwaltung zu erhalten. Mit diesem Geld habe sie dann Büroausstattung, Handy und ihren Internetauftritt finanziert.
Die anderen Parteien lehnen Muhsal als Landtagspräsidentin ab – und wollen auf diesem Posten auch keinen anderen Kandidaten der AfD, die in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem beobachtet wird. Sie müssen befürchten, dass die AfD die für einen reibungslosen Ablauf wichtige Position immer wieder ausnutzen könnte, um Prozesse im Parlament zu blockieren oder in ihrem Sinne zu beeinflussen. Eine Mehrheit wird Muhsal im Parlament also nicht erhalten.