Olivier Blanchard gehört nicht zu den Ökonomen, die jetzt sagen: Wir haben euch gewarnt! Der ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF) lässt keinerlei Genugtuung erkennen, obwohl jetzt das passiert, was er vorausgesehen hat: Die US-Inflation erreicht einen hohen Wert von 7,5 Prozent und droht außer Kontrolle der US-Notenbank (Fed) zu geraten.
Blanchard hatte mit seiner Warnung im vergangenen März allerdings weniger die Fed im Visier als die Regierung unter US-Präsident Joe Biden. Sorgen bereitete ihm nicht die Staatsverschuldung, denn die Regierung hat quasi unerschöpfliche Geldquellen auf den Kapitalmärkten. Sondern er kritisierte den gewaltigen Schub an Staatsausgaben, der zu einem großen Teil direkt in den Konsum ging oder für baldigen Konsum aufgespart wurde.
Diese großzügige Finanzpolitik hat auch strukturelle Gründe: Ein Land mit schwachem Auffangnetz für wirtschaftliche und soziale Krisen kann im Zweifel nur mit einer großflächigen Geldspritze reagieren, wenn ein Desaster wie die Coronapandemie einschlägt.
Die Demokraten, Bidens Partei, neigen aber auch dazu, statt Steuern, die sich politisch schwer durchsetzen lassen, Schulden zur Finanzierung von Staatsausgaben einzusetzen. Während bei Steuern Liquidität abgesaugt wird, ist das bei Schulden nicht der Fall – und so heizen die Staatsausgaben ungebremst die Wirtschaft auf.
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Vor allem der linke Flügel der Demokraten wird zudem durch die Ideologie der Fashionable Financial Principle (MMT) getrieben. Deren Vertreter wollen zwar jetzt keine Mitschuld an der Inflation haben, aber de facto haben sie der Ausgabenfreude auf Pump zunächst einmal einen gewissen intellektuellen Charme verliehen.
Kaufkraft aufgefressen
Bidens Finanzpolitik wird jetzt in zweifacher Weise zum Bumerang. Die Kaufkraft, die er den Wählern schenkte, wird durch die Inflation wieder aufgefressen. Und das schlägt auch politisch auf ihn zurück. Es kann intestine sein, dass die Inflation in der zweiten Jahreshälfte abflaut – dann misst sich das Preisniveau an hohen Vorjahreswerten. Für die Kongresswahlen im Herbst kommt der Effekt aber zu spät.
Ein weiteres Drawback, das auch politisch belasten kann: Die Sorge, dass die Fed überreagiert, wächst mit jedem Zehntelprozentpunkt Inflation. Das macht die Märkte nervös.
Die Sorge ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Wenn die Fed jetzt die Zügel strafft, schlägt das voll erst in ein bis zwei Jahren durch. Bis dahin hat sich die Wirtschaft ohnehin abgekühlt – und eine weitere Wahl ist auch nicht mehr fern.
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