Viele Rentner zieht es raus aus Berlin. Viele Eltern sorgen sich um ihre Kinder. Die Jugendkriminalität steigt. Messerattacken nehmen zu. Die Probleme der Hauptstadt sind divers. Was tun?
„Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein“, heißt es in einem Lied von Peter Fox. Den Song schrieb der Berliner Musiker vor knapp 15 Jahren. Heute ist der Text aktueller denn je.
Nein, nicht alles an Berlin ist schlecht. Sie müssen hier auch nicht ständig ängstlich über die eigene Schulter schauen. Und dennoch nährt sich ein Gefühl. Eines, das durch Vorfälle in den vergangenen Wochen immer mehr zu einem mulmigen heranwächst.
So scheint es vor allem auch älteren Menschen zu gehen. Viele Rentner zieht es weg aus Berlin. Der „Tagesspiegel“ befragte vor einigen Wochen Rentner nach den Beweggründen ihrer Hauptstadt-Flucht. Manche ziehen wegen der hohen Mieten weg. Manche wegen des Lärms. Viele fühlen sich unsicher. „Berlin ist dreckig, unsicher, kriminell geworden, der Charme ist verloren gegangen“, sagte ein Befragter.
Nun können Gefühle auch mal trügen. Blanke Zahlen und Statistiken hingegen nicht. Messerattacken in Berlin häufen sich. Das registriert nicht nur die Polizei, sondern auch die Charité, die einen Anstieg von Patienten mit schweren Stichverletzungen verzeichnet.
In der Nacht auf Donnerstag wurde in der Bülowstraße ein Mann auf offener Straße erschossen. Ein unbeteiligter Radfahrer wurde am Bein getroffen und musste notoperiert werden. Entgegen ersten Vermutungen habe die Tat wohl doch keinen Bezug zum Berliner Rotlichtmilieu. Die Hintergründe der Schüsse sind also noch unklar. Die Bülowstraße liegt fußläufig vom Kadewe entfernt. Von der Einkaufsmeile schlechthin in Berlin. Was bleibt, ist Unsicherheit.
Auch bei jungen Leuten. Die Jugendgruppengewalt häuft sich. Vor allem in vornehmeren Ortsteilen wie Prenzlauer Berg. Klingt zunächst paradox, ergibt aber Sinn: Jugendliche aus sozial schwächeren Ortsteilen wie Wedding ziehen dort die sogenannten „Rich Kids“ ab.
Aus dem Wedding sind es mit der Ringbahn nur wenige Minuten bis zur Schönhauser Allee. In unmittelbarer Nähe liegt der Mauerpark. Mittlerweile ist er nach dem Görlitzer Park die gefährlichste Grünanlage Berlins.
Vieles scheint miteinander zu korrelieren. Und vor allem nährt es das besagte Gefühl weiter. Nicht einmal Berlins Regierender Bürgermeister kann sich dem verwehren. In unserem großen t-online-Interview sagte Kai Wegner, auf diese Thematik angesprochen, dass er wisse, dass viele Eltern in Berlin sich fürchten, ob ihre Kinder abends sicher nach Hause kommen. „Wir haben hier leider einige Stadtteile, wo man abends Sorge haben muss.“ Ein Armutszeugnis für die deutsche Hauptstadt!
Wegner möchte diese Entwicklung nun mit einer konsequent agierenden Polizei durchbrechen. Ob das allein allzu viel bringen wird? Zumindest fraglich. Neben der Stärkung der Polizeipräsenz muss auch über den verstärkten Einsatz von Kameras an Kriminalitätsschwerpunkten als abschreckendes Element nachgedacht werden.
Und natürlich müssen auch präventive Maßnahmen getroffen werden. Bildungs- und Aufklärungsprogramme sollten aufgesetzt werden, um Jugendliche über die Konsequenzen kriminellen Verhaltens aufzuklären und alternative Lebenswege aufzuzeigen. Die soziale Integration sollte gefördert werden. Vieles kann auf lange Sicht dazu beitragen, dass diese Stadt wieder lebenswerter wird.
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Manche Sorgen sind nicht rational erklärbar. Aber sie geben einen Hinweis darauf, dass hier gerade sehr viel schiefläuft. Jugendliche haben Angst davor, abgezogen zu werden. Eltern sorgen sich darüber, ob ihre Kinder abends sicher nach Hause kommen. Rentner ergreifen die Stadtflucht. Es zieht sich durch die Altersschichten hindurch.
Und das Muster ist eindeutig: Berlin ist dreckig und gefährlich. Schlichtweg unsicher. Die Entwicklung ist bedrohlich. Es ist ein Abwärtstrend, der schnell gestoppt werden sollte. Sonst muss man sich irgendwann die Frage stellen: Wer will hier freiwillig noch leben?