Auch die EU-Kommission will den Import des russischen Erdgases innerhalb eines Jahres um zwei Drittel reduzieren, ein ehrgeiziges Ziel. Präsidentin Ursula von der Leyen: „Wir können uns einfach nicht auf einen Lieferanten verlassen, der uns bedroht.“
Wer will das schon, aber Deutschland mit seinen höheren Putin-Abhängigkeitsquoten bei Fuel und Erdöl tut sich in der Frage des überfälligen Embargos um einiges schwerer. Anders als etwa die Ökonomen der Akademie Leopoldina befürchtet Wirtschaftsminister Robert Habeck in diesem Fall „eine schwere Wirtschaftskrise“.
Große Probleme bekämen etwa Raffinerien oder Chemiekonzerne. Der Preis für ein Fass Erdöl liegt nunmehr bei mehr als 130 US-Greenback – nach 90 Greenback vor einem Monat. Und wer sich beim Tanken in Deutschland über mehr als zwei Euro professional Liter für E10-Benzin und Diesel wundert, wird vielleicht bald über drei Euro klagen.
Fazit: Manchmal ist der „Preis der Freiheit“ einfach nur ein Prohibitivpreis.
Auch hartgesottene Globalisierer wie Cola-Cola, McDonald’s und Starbucks, die ihre kalorienreiche Einheitsware in die letzten Winkel des Erdballs bringen, mögen in Russland nicht mehr. Sie stellen bis auf Weiteres ihre Geschäfte ein. Dass die deutschen Sanktionen gegenüber Wladimir Putins Regime zu lasch sind, beklagt Lars Brzoska, CEO der Intralogistikfirma Jungheinrich, im Handelsblatt.
Seine Branche sei von den Maßnahmen „so gut wie nicht betroffen“. Und es gäbe noch viele andere Firmen und Branchen, die quick ohne Einschränkungen weiter machen dürften. Er habe die Regierung auch gewählt, aber sie habe gehadert, erst bei Waffenlieferungen, dann bei Sanktionen. Ihn beschäme, so der Supervisor, „der fehlende Mut, die fehlende Konsequenz, die fehlende Geschwindigkeit“.
An dieser Stelle hilft vielleicht der griechische Philosoph Epikur: „Ein einziger Grundsatz wird dir Mut geben, nämlich der, dass kein Übel ewig währt.“
Das Mantra des Jungheinrich-Cooks: „Das ist keine Krise, das ist Krieg“ übersetzen viele CEOs als: „Das ist Geschäft.“ Oder noch besser mit der Aufforderung des Monetarismus-Papstes Milton Friedman, stets an maximale Profite zu denken: „The enterprise of enterprise is enterprise.“
Der wertvollste Dax-Konzern Linde hält etwa an zwei Großaufträgen des putinesken Staatsmonopolisten Gazprom im Wert von sechs Milliarden Greenback fest. Man habe „exzellente Beziehungen“, schwärmte CEO Sanjiv Lamba Ende 2021, als er noch Chief Operating Officer war. Zu den Arbeitsaufträgen gehören Jobs im Rahmen des Pipelineprojekts „Energy of Siberia“ – ab nach Sibirien additionally.
Unter den letzten deutschen Einzelhändlern, die an Umsätzen in Russland festhalten, sind übrigens Metro und die Supermarktkette Globus aus dem Saarland. Globus-Eigner Thomas Bruch hatte stets „einen Beitrag zur deutsch-russischen Freundschaft“ leisten wollen. Im Krieg wird aus Freundschaft schnell Komplizenschaft.
Wer wissen will, was in der Ukraine los ist, wie die Menschen unter Putins Kriegsterror leiden, muss das Tagebuch der IT-Designerin Tatiana Chontoroh in unserer aktuellen Ausgabe lesen.
Meine Kollegin Simone Wermelskirchen ist mit ihr in engem Kontakt und hat die Aufzeichnungen der 28-jährigen Ukrainerin übersetzt. Wir lesen über ihren kleinen Sohn, der mit zwei Herzfehlern geboren wurde, von Babynahrung, die knapp wird, von Solidarität und Fliegeralarm in Kiew, von leeren Apotheken, spielenden Kindern – und schließlich vom Tod des Jungen: „Mein Leben in Kiew: Krieg und Tod sind nahe“.
Der Staatspräsident der Ukraine Wolodimir Selenski hat unterdessen das Unterhaus in London per Videoschalte mit einer emotionalen Rede begeistert, die Zitate von Churchill und Shakespeare mischte: „Wir werden weiter für unser Land kämpfen, was immer es kostet. Wir werden in den Wäldern kämpfen, auf den Feldern, an den Küsten und in den Straßen.“
Nach 13 Tagen gehe es nicht mehr um „Sein oder Nichtsein“, jetzt sei die Antwort: „Sein“. Die Ukraine werde weder aufgeben noch verlieren, erklärte Selenski, der wie zuletzt im dunklen T-Shirt auftrat. Premier Boris Johnson lobte danach einen Chief, der fest für Freiheit und Demokratie stehe – er habe „die Herzen aller in diesem Haus bewegt“.
Der Krieg zerstört nicht nur Häuser und Krankenhäuser in Kiew, Charkiw oder Mariupol, sondern auch Markt für Markt. Die Preise sind „out of order“. So hat die Londoner Metallbörse LME den Handel mit Nickel ausgesetzt, nachdem der Kurs mit 101.365 Greenback professional Tonne innerhalb von zwei Tagen um 250 Prozent gestiegen battle.
Man befürchtet, der bedeutende Nickel-Exporteur Russland könne bald nicht mehr wie gewohnt liefern. Zudem hat sich ganz offenbar der chinesische Unternehmer Xiang Guangda verzockt, der auf fallende Preise gesetzt hatte und Liquidität nachschießen musste. Manche ersetzen bereits das „o“ in seinem Spitznamen „Huge Shot“ durch einen anderen Selbstlaut.
Auf historischem Höchststand liegt auch der Weizenpreis: 420 Euro professional Tonne. Russland und die Ukraine liefern normalerweise ein Drittel des weltweit gehandelten Getreides, doch die Häfen am Schwarzen Meer sind wegen des Krieges nicht mehr funktionstüchtig. Hauptabnehmern wie dem Libanon, Libyen, Syrien oder Somalia drohen Hungersnöte und Unruhen. Putin müsse gar keine Atomwaffen einsetzen, sagt ein Rohstoffexperte: „Ein Agrarkrieg ist viel effektiver, um den Westen und die ganze Welt zu destabilisieren.“
Und dann ist da noch der Logistikunternehmer, Luxushotelier und enttäuschte HSV-Fan Klaus-Michael Kühne, 84, der auf den Spuren des verstorbenen Münchner Vollblutunternehmers Heinz-Hermann Thiele wandelt.
Wie einst der Eigentümer von Knorr-Bremse steigt auch Milliardär Kühne als größerer Aktionär bei der Lufthansa ein. 4,04 Prozent der Aktien von Europas größter Fluggesellschaft hat er übernommen, wohl in freudiger Erwartung einer guten Zusammenarbeit zwischen seiner Logistikfirma Kühne + Nagel und Lufthansa Cargo, einer der führenden Frachtgesellschaften.
Das ist jedenfalls eine handfeste ökonomische Begründung im Vergleich zu dem, was Thiele einst zu seinen Motiven sagte: „Die Lufthansa hat von allen Airways einfach die besten Schlafsitze.“
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag zum Abheben.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
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