SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich macht im Parlament einen umstrittenen Vorschlag. Die Reaktionen auf seinen Auftritt fallen harsch aus.
Auf Antrag der Union ist am Donnerstag im Deutschen Bundestag erneut über einen Antrag zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine abgestimmt worden. Doch der Antrag wurde mit der Mehrheit der Ampelkoalition abgelehnt. Zuvor hatte es eine hitzige Debatte zum Thema gegeben, in deren Verlauf SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bei einigen Abgeordneten für Erstaunen sorgte.
Der Sozialdemokrat hatte unter anderem ein Einfrieren des Konflikts in der Ukraine vorgeschlagen. Ein Vorschlag, der im Plenum für Kopfschütteln sorgte – auch bei Außenministerin Annalena Baerbock. Diese hatte sich in den vergangenen Tagen für Taurus-Lieferungen ausgesprochen und ihre Sympathie für einen Ringtausch mit Großbritannien zum Ausdruck gebracht.
Ganz anders Mützenich. Der SPD-Fraktionschef ist vehementer Gegner von Waffenlieferungen, stattdessen fordert er Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. Als er dies im Parlament einmal mehr forderte, zeigte Baerbock auf der Regierungsbank deutlich ihre Abneigung. Die Außenministerin schüttelte den Kopf angesichts der Ausführungen ihres Ampelkollegen. Sie presste die Lippen zusammen, nestelte an ihrem Handy und schien nur mit Mühe die Contenance zu wahren.
Kubicki: „Rate ihm dringend ab“
Noch deutlicher wurde FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki in seiner Kritik an Mützenich. „Autoritäres Auftreten“, warf Kubicki dem Sozialdemokraten vor. Und er ging sogar noch weiter: „Wer wie Herr Mützenich ‚Konsequenzen‘ für ihn missliebiges Abstimmungsverhalten fordert, der steht jedenfalls auf Kriegsfuß mit unserer Verfassung“, sagte Kubicki dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Ich rate ihm dringend, solche verfassungsfeindlichen Erklärungen, die gegen Artikel 38 des Grundgesetzes gerichtet sind, zu unterlassen.“
Kubicki ist nicht nur Bundestagsvizepräsident, sondern auch Anwalt. Er sprach seinem SPD-Kollegen das Recht ab, „sich als Verteidiger unserer demokratischen Grundordnung zu bezeichnen“. Harter Tobak unter Koalitionären.
Mützenich hatte sich darüber geärgert, dass aus den Reihen der Koalition die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), neben einem zurückhaltenderen Koalitionsantrag auch einem Unionsantrag zugestimmt hatte, der ausdrücklich die Taurus-Lieferung forderte. Empört hatte ihn, dass ihre Fraktion sie auch noch auf die Rednerliste gesetzt hatte. Ohne sie namentlich zu erwähnen, hatte er gefordert: „Ich hoffe, dass das Konsequenzen innerhalb der jeweiligen Fraktionen hat.“
Mützenichs Vorschlag, den Konflikt einzufrieren und damit dem russischen Diktator Wladimir Putin womöglich zu einem Erfolg zu verhelfen, ist unter Experten umstritten. In der Regel dienen diese frozen conflicts derjenigen Seite, die an Instabilität in einer jeweiligen Region interessiert ist – in diesem Fall also Russland. Unter Putins Herrschaft hatte es bereits mehrerer solcher eingefrorenen Konflikte gegeben.
Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen sprach mit Blick auf Mützenichs Rede von einem „unglaublichen Vorschlag“. Er erinnerte bei X daran, dass das Unrechtsregime Putins in den besetzten ukrainischen Gebieten Leid über die Bevölkerung bringt. Auch der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, schaltete sich in die Debatte ein. Er sprach von Mützenich als einem der „widerlichsten deutschen Politiker“.