Schon wieder streiken die Lokführer. Viele Reisende sind wütend – doch einige haben auch Verständnis.
Zahlreiche Zugverbindungen fallen dieser Tage aus, Hunderttausende müssen ihre Reisen verschieben. Das GDL-Personal streikt seit Mittwochabend, nachdem die Gewerkschaft die Tarifverhandlungen mit der Bahn am Montag abgebrochen hatte. Auch am Berliner Alexanderplatz trudeln am Donnerstag keine S-Bahnen ein. Passanten mit Koffern stehen herum und checken Alternativverbindungen auf ihren Handys.
Zwei ältere Touristinnen sind genervt. Sie müssten mit ihrem Gepäck nun einen Umweg zum Hotel fahren. „Weselsky sollte lernen, was ein Kompromiss ist“, sagt eine der Frauen. Nicht nur die beiden Rentnerinnen sind sauer. Der Chef der GDL, Claus Weselsky, muss derzeit viel Kritik einstecken. Das liegt nicht ausschließlich an den wiederholten Streiks.
Am Montag hatte der GDL-Chef auf einer Pressekonferenz behauptet, die Schlichter hätten als Kompromiss eine 37-Stunden-Woche vorgeschlagen. Tatsächlich aber waren es 36 Stunden, also nur eine Stunde mehr, als Weselsky fordert. Dieser sprach von einem „Denkfehler“, den Streik nahm er trotzdem nicht zurück. Mehr dazu lesen Sie hier. Die beiden Touristinnen halten den Kompromissvorschlag für ausreichend. „Bei einem Streit müssen beide Seiten aufeinander zugehen“, meint eine der Rentnerinnen.
GDL-Forderungen „unverhältnismäßig“
Für Weselskys mangelnde Kompromissbereitschaft hat auch Michaela K., Psychologin aus Frankfurt am Main wenig Verständnis. „Schließlich ist die Bahn den Forderungen ja entgegengekommen.“ Die 39-Jährige habe die Streiks lange verteidigt, mittlerweile halte sie die Forderungen aber für unverhältnismäßig. Auch Guido H. findet die Streikpläne der GDL „unmöglich“. Der Frührentner kommt aus Berlin-Hellersdorf und muss wegen einer Behinderung häufig nach Berlin-Mitte zum Arzt. „Ich habe mein Auto abgeschafft, weil ich direkt vor meiner Haustür eine gute Verkehrsanbindung habe. Aber auf einmal komme ich nicht mehr weg“, sagt der 56-Jährige.
Nicht nur in Berlin, in ganz Deutschland ärgern sich aktuell Reisende. Am Hamburger Bahnhof etwa ist die 35-jährige Ukrainerin Anastasia Smirnova mit ihrer 15-jährigen Tochter unterwegs. Sie wollen nach Berlin und sind nun auf den Flixtrain ausgewichen. „In unserer Heimat fallen Bomben und die Züge sind trotzdem pünktlicher“, sagt Smirnova. „Da frage ich mich schon, wie das sein kann.“
In Köln geht ein junger Mann gelassen mit der Situation um. „Ich muss heute nach Koblenz und bin froh, dass ich erst mal hierhin gekommen bin“, sagt er, während er in der Warteschlange der DB-Information am Hauptbahnhof steht. Er hat Glück, muss lediglich einen anderen Zug von Köln/Messe-Deutz nehmen. Die Verspätung nimmt er gerne in Kauf – auch angesichts der vorangegangenen Tage, an denen die Kölner Verkehrsbetriebe streikten und absoluter Stillstand in der Domstadt herrschte.
Ein Rentner und seine Frau ärgern sich stattdessen. Sie leben in Köln-Kalk und warten ebenfalls in der Schlange vor der DB-Information, die an diesem Donnerstagmittag noch überschaubar ist. Es scheint, als wäre der Streik-Tag nicht so recht angelaufen, manche Verbindungen und Züge fahren noch. Ob es das Ehepaar heute wie geplant nach Würzburg schafft, ist allerdings fraglich. „Man bekommt keine Information von der Bahn“, sagt der Rentner. Verständnis für die Streikenden hat er trotzdem. „Schuld sind nicht die Streikenden, sondern die Bahn, die sich nicht um eine Einigung in diesem Streit kümmert.“ Seine Frau stimmt zu: „Und Informationen kriegt man dann nur häppchenweise.“
Weselsky als „Ritter des Rechts“
Auch am Berliner Alexanderplatz gibt es einige, die Verständnis für den Streik haben. Die 48-jährige Französin Sandra Laporte versteht, „dass die Streikenden gehört werden wollen“. In Frankreich werde regelmäßig gestreikt, es sei für sie schlicht normal, sich darauf einstellen zu müssen.