Der Bahnstreik legt derzeit bundesweit den Fernverkehr lahm. Auch in Hamburg zeigen sich die Auswirkungen. t-online hat sich bei Reisenden umgehört, ob sie den Streikenden mit Wut oder Verständnis begegnen.
„Das ist zum Kotzen“, antwortet Ortrud Dambrowsky auf die Frage, wie sie über den laufenden Bahnstreik denkt. Sie steht mit ihrem Mann vor dem Hauptbahnhof, raucht eine Zigarette. Vor ihren Füßen steht ein Köfferchen.
Die beiden haben den Bruder der 63-Jährigen an seinem Geburtstag in Pinneberg besucht. Jetzt soll es zurück nach Berlin gehen. Der Streik macht den beiden dabei keinen Strich durch die Rechnung. Ihr Fortbewegungsmittel ist heute der Flixtrain, der nicht vom Streik betroffen ist. Eine klare Haltung zum Streik haben sie trotzdem.
Die Deutsche Bahn kommt bei der 63-Jährigen nicht gut weg. Überteuert und unzuverlässig nehme sie das Unternehmen mittlerweile wahr. „Dass die Angestellten nicht anständig entlohnt werden, ist natürlich eine Schweinerei“, sagt die Berlinerin. Ihr Mann nickt zustimmend. „Aber allmählich sind die Forderungen schon ein bisschen übertrieben“, ergänzt Heinz Dambrowsky. „Das grenzt an Arroganz.“ Für Pendlerinnen und Pendler und Menschen, die auf die Bahn angewiesen seien, täten ihnen die Umstände leid.
Dichtes Gedränge bleibt im Bahnhof aus
Was im Hauptbahnhof derweil auffällt: Besonders ältere Menschen und Personen, die kein Deutsch sprechen, laufen durch die Gänge und Hallen des Hauptbahnhofs oder lassen sich im Reisezentrum beraten. Vor einer Anzeigetafel stehen Anastasia Smirnova und ihre 15-jährige Tochter, mit großen Rucksäcken auf den Schultern. Sie sprechen Ukrainisch und versuchen, ihren Zug auf der Anzeigetafel ausfindig zu machen.
Die beiden sind auf den Flixtrain nach Berlin ausgewichen. Viel Verständnis für die ständigen Einschränkungen im Bahnverkehr haben sie nicht. „In unserer Heimat fallen Bomben und die Züge sind trotzdem pünktlicher“, sagt die 35-Jährige. „Da frage ich mich schon, wie das sein kann.“
„Man hat das Gefühl, als würden alle ständig streiken“
Während Smirnova und ihre Tochter schließlich in den Zug steigen, laufen Johanna und Kristina am Jungfernstieg entlang. Beide wollen ihren Nachnamen lieber nicht nennen. Johanna lebt eigentlich in Berlin, studiert jedoch in Hamburg. Entsprechend pendelt sie regelmäßig in die Hansestadt. Ihren aktuellen Trip nach Hamburg musste sie wegen des Streiks umplanen. „Das stört mich aber nicht“, sagt die 30-jährige Dokumentarfilmerin. Ihre Freundin stimmt ihr zu: „Für gewöhnlich bekommt man ja rechtzeitig vom Streik mit und kann sich darauf einstellen.“
Dennoch nehmen beide wahr, dass sich die Streiks im öffentlichen Verkehr derzeit häufen. „Man hat das Gefühl, als würden alle ständig streiken“, sagt Kristina. Dennoch wollen sie für die Streikenden Verständnis aufbringen. Denn Johanna begründet: „Wenn wir für bessere Bedingungen streiken, wünschen wir uns ja auch Verständnis.“