Außenministerin Annalena Baerbock wird nicht als Kanzlerkandidatin antreten. Das bringt Klarheit für ihre Partei, aber die Verkündung auf dem Nato-Gipfel irritiert.
Das war kein Zufall. Zwar antwortete die deutsche Außenministerin in dem Gespräch auf die direkte Frage, ob sie erneut als Kanzlerkandidatin kandidieren möchte. Schnell wird klar: Die Verkündung ihres Verzichts auf die erneute Kandidatur war geplant.
Bereits wenige Minuten nach dieser Ankündigung reagierten die Fraktionsspitzen der Grünen im Bundestag. Britta Haßelmann nannte Baerbock im sozialen Netzwerk X eine „Teamplayerin“. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck soll im Vorfeld informiert gewesen sein, heißt es.
In einer Mitteilung an die Bundestagsfraktion der Grünen schreibt Baerbock: „Diese Entscheidung ist für mich auch Ausdruck einer staatspolitischen Verantwortung. Auch hier in Washington beim Nato-Gipfel ist noch einmal klar geworden, wie wichtig Vertrauen und Verlässlichkeit für unsere Partner sind.“ Die Mitteilung liegt t-online vor.
Durch ihren Verzicht erspart Baerbock ihrer Partei lästige Personaldebatten und die Grünen bekommen das, was sich viele in der Partei nach dem schlechten Ergebnis bei der Europawahl gewünscht hatten: Klarheit.
Für die Grünen ist das gut – und bringt zumindest vorerst Ruhe in die eigenen Reihen. Doch beim wichtigen Nato-Gipfel in Washington sollte es eben nicht um parteipolitische Personalfragen der Grünen gehen, dafür ist die Lage in der Ukraine zu ernst. Zu einer Botschaft gehört auch immer der passende Zeitpunkt – und genau in dieser Frage ist Baerbock ihrer staatspolitischen Verantwortung dieses Mal nicht gerecht geworden.
Nun die Kehrtwende. Baerbocks Sinneswandel kommt angesichts der Äußerungen im Juni überraschend. Für die Grünen ist ihr Verzicht durchaus mit einem Risiko verbunden. Nun läuft alles auf Robert Habeck als Spitzen- oder Kanzlerkandidat der Partei hinaus, und es wird zumindest keine für die Partei lähmende Urwahl zwischen Habeck und Baerbock geben.
Trotzdem wären die Grünen gut beraten, den Wirtschaftsminister noch nicht zu benennen, sich öffentlich noch nicht festzulegen. Denn bis zur Bundestagswahl sind es mehr als 14 Monate, bis dahin kann noch viel passieren.
Richtig war es für die Partei trotzdem: Die Grünen werden nun intern an Ruhe gewinnen, da im Hintergrund sich eben nicht Baerbock und Habeck um Einfluss ringen. Das ist wichtig, um das Wahlergebnis der Europawahl aufzuarbeiten und um sich auf die kommenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst vorzubereiten. Die Partei kann sich Selbstbeschäftigung nicht leisten, denn durch schlechte Wahlergebnisse in den östlichen Bundesländern könnte sie weiter in den Negativstrudel geraten.
Auch für Baerbock selbst muss dieser Verzicht nicht unbedingt negativ sein. Die internationalen Krisen wiegen schwer, kosten Zeit und Deutschland braucht in der Tat eine funktionsfähige Außenpolitik – und eine Außenministerin, die sich im kommenden Jahr nicht ausschließlich auf den Wahlkampf konzentriert. Deswegen steckt hinter der Entscheidung eine innere Logik.