Der Kanzler hat seine Verweigerung von Taurus-Raketen erklärt. Bei einem Treffen mit dem britischen Außenminister schließt Annalena Baerbock eine Lieferung dennoch nicht aus.
Deutschland und Großbritannien haben vor dem Hintergrund der jüngsten russischen Abhöraktion gegen deutsche Offiziere Einigkeit beschworen. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gehe es auch darum, „in unserem Bündnis Zwietracht zu säen und unsere Demokratien ganz bewusst ins Wanken zu bringen“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei einem Treffen mit ihrem britischen Kollegen David Cameron in Berlin. Dem stelle man „unsere Entschlossenheit und Einheit entgegen, denn wir lassen uns von Putin nicht einschüchtern“, ergänzte sie.
Cameron wirbt um Lieferung von Waffen mit großer Reichweite
Cameron warb in Deutschland eindringlich für weitere Ukraine-Hilfen. Angesichts der deutschen Diskussion über eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine sagte Cameron: „Was die Langstreckenwaffen angeht, kann ich aus den Erfahrungen Großbritanniens sagen, wie effektiv diese Waffen der Ukraine bei der Bekämpfung der illegalen Aggression geholfen haben.“
Wenn es darum gehe, einem Land zu helfen, sich gegen eine illegale und völlig ungerechtfertigte Aggression zu verteidigen, dann sollte einen nichts daran hindern, betonte Cameron. „Solange wir uns nicht in einer Situation befinden, in der ein Nato-Soldat einen russischen Soldaten tötet, sorgen wir nicht für eine Eskalation, sondern erlauben der Ukraine, sich selbst zu verteidigen.“ Jede Regierung müsse aber in diesem Bereich ihre eigenen Entscheidungen treffen.
Bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem britischen Außenminister schloss Baerbock die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine nicht aus, wie unter anderem ntv berichtet. Angesprochen auf das Thema habe Baerbock betont, dass die Bundesregierung insgesamt jeden Tag erneut darüber nachdenke, wie man die Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen die russische Aggression unterstützen könne. Dabei sei jedoch zu beachten, dass unter „weitreichenden Waffensystemen“ eine Vielzahl von Waffen falle.
Geleakte Aufnahmen sorgen für Spekulationen
Franzosen und Briten programmieren ihre an die Ukraine gelieferten Marschflugkörper Scalp und Storm Shadow selbst. Am vergangenen Freitag hatte Russland eine mitgeschnittene Schaltkonferenz von vier hohen Offizieren veröffentlicht. Darin wurden Einsatzszenarien für die Taurus-Marschflugkörper für den Fall erörtert, dass sie doch noch an die Ukraine geliefert werden sollten. Als brisant gilt, dass in dem Mitschnitt auch die Rede davon war, dass die Briten wegen ihrer an die Ukraine gelieferten Storm-Shadow-Marschflugkörper „ein paar Leute vor Ort“ hätten. Offiziell bestätigt wurde das nie.
Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt die Bereitstellung der weiterreichenden Bundeswehr-Marschflugkörper vom Typ Taurus dagegen ab, weil er eine Verwicklung Deutschlands in den Krieg befürchtet. „Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden“, erklärte Scholz. „Das, was andere Länder machen, die andere Traditionen und andere Verfassungsinstitutionen haben, ist etwas, was wir jedenfalls in gleicher Weise nicht tun können.“
Baerbock und Cameron trafen sich zum zweiten deutsch-britischen Strategischen Dialog, bei dem einmal im Jahr vertieft über die außenpolitische Zusammenarbeit beider Länder gesprochen werden soll. Großbritannien war 2020 mit dem Brexit aus der Europäischen Union (EU) ausgetreten. Cameron war von 2010 bis 2016 britischer Premierminister und von 2005 bis 2016 auch Vorsitzender der Konservativen Partei in Großbritannien.