Autonomes Fahren ist noch Zukunftsmusik? Das gilt nicht für autonome Züge, denn zahlreiche Bahnen sind bereits ohne eigenen Fahrer unterwegs.
Verkehrsmittel ohne Fahrer sind eine Vision, welche zahlreiche Filme bevölkern. In der Realität reicht es bisher aber nur für Versuchsprojekte, oder? Nun, das mag für die Straße gelten. Autonome Züge sind hingegen ein alter Hut. Wie es um den Entwicklungsstand der autonomen Züge steht, lesen Sie hier.
Bereits 1983 begann im nordfranzösischen Lille eine völlig autonome U-Bahn ihren Regelbetrieb, also immerhin vor etwa vier Jahrzehnten.
In Deutschland dauerte es etwas länger. Bisher sind hierzulande die autonom fahrenden U-Bahn-Linien U2 und U3 in Nürnberg die einzigen Vertreter autonomer Zugsysteme. Diese transportieren seit 2008 an einem normalen Werktag über 200.000 Menschen.
Diese Beispiele sind keine Einzelfälle, denn mittlerweile gibt es weltweit mehr als sechzig solcher autonom fahrender U-Bahnen, darunter der Airtrain vom New Yorker Flughafen John F. Kennedy Richtung Manhattan.
Es fällt auf, dass sich die genannten Projekte auf U-Bahnen beschränken. Das hat einen einfachen Grund. Es handelt sich hierbei um geschlossene Systeme, in welchen die technischen Bedingungen für autonome Züge optimal sind. Die Triebwagen sind einheitlich, äußere Einflüsse auf ein Minimum beschränkt und die Liniennetze in der Regel weniger komplex als bei anderen Verkehrssystemen.
Züge ohne Lokführer haben einige Vorzüge. Taktung und Zeiten können zentral geregelt und optimiert werden. Beispielsweise können nachweislich etwa doppelt so häufige Abfahrtzeiten ermöglicht werden als bei menschlicher Steuerung. Zudem lässt sich die Pünktlichkeit der Züge spürbar verbessern. Und auch die Sicherheit wird erhöht, da viel schneller auf unvorhergesehene Ereignisse reagiert werden kann.
Auch einige Schwierigkeiten, welche den Planern mit Blick auf die Zukunft besonderes Kopfzerbrechen bereiten, können gelöst werden. Bahnstreiks beispielsweise werden ihren Schrecken verlieren. Zudem werden die Herausforderungen durch fehlende Fachkräfte und Arbeitskräftemangel ganz allgemein aufgrund der demografischen Entwicklung deutlich entschärft.
Mit dem Begriff Perzeption ist die Erfassung der Umwelt gemeint. Autonome Züge müssen in der Lage sein, auf äußere Einflüsse sofort reagieren zu können. Im Gegensatz zu U-Bahnen sind diese bei oberirdischen Fahrten deutlich vielfältiger. Hindernisse auf den Gleisen, witterungsbedingte Störungen, defekte Weichen und vieles mehr müssen selbstständig erkannt und schnellstens verarbeitet werden. Die Entwicklungen in der Sensortechnologie mit Kamera-, Radar- oder Lidar-Systemen finden hier ein willkommenes Anwendungsgebiet.
Gegen den verbreiteten Einsatz autonomer Züge sprechen die hohen Kosten für die komplexe Technik. Ein anderes Gegenargument, nämlich der Verlust von Arbeitsplätzen, erweist sich bei genauerem Hinsehen allerdings eher als Argument für deren Einsatz. Denn alle Studien belegen, dass in den kommenden Jahrzehnten tausende von Straßenbahnfahrern und Lokführern in Rente gehen werden, ohne adäquaten Ersatz. Autonome Züge bieten also nicht nur eine zukunftsträchtige, sondern auch gesellschaftspolitisch sinnvolle Lösung.