Isaak fährt für Deutschland zum Eurovision Song Contest nach Malmö. Mit den vorderen Plätzen wird er nichts zu tun haben – aber das ist nicht seine Schuld.
Nun also Isaak. In einer langatmigen Show am Freitagabend konnte sich der 29-jährige Sänger gegen seine Konkurrentinnen und Konkurrenten durchsetzen und vertritt Deutschland mit seinem Lied „Always On The Run“ beim Eurovision Song Contest im schwedischen Malmö.
Am Ende gewann am Freitag der stärkste Song des Abends. Mit dem Kampf um die vorderen Plätze in Malmö wird Isaak trotzdem nichts zu tun haben. Dazu hat man Songs wie sein „Always On The Run“ schlichtweg zu oft gehört. Als Isaak sein Lied für Malmö am Freitagabend erstmals im Studio in Berlin-Adlershof sang, wirkte es so, als habe man die offiziellen Lieder großer Fußballturniere in den vergangenen Jahren in einen Topf geworfen, kräftig umgerührt und die Mischung nun als große Hoffnung für Malmö präsentiert.
Zu oft hat man solche uninspirierten Pop-Hymnen schon gehört. In deutschen Radiostationen laufen sie hundertfach, sodass sich schon beim ersten Hören des leicht elektronisch angehauchten Refrains eine gewisse Abnutzung zeigt. Dass Isaak auch in diesem Jahr ein absolut redundantes Ergebnis erzielen und die Anzeigetafeln der internationalen Jurys oft „Zero Points for Germany“ auf die Fernsehbildschirme des Kontinents projizieren werden, ist allerdings mitnichten die Schuld des 29-jährigen Sängers aus Ostwestfalen. Es ist die Schuld des Norddeutschen Rundfunks (NDR), der es wieder einmal nicht geschafft hat, bei der Auswahl des deutschen ESC-Beitrags mutig zu sein.
Zwischen Langeweile und Midlife-Crisis
Wie eingangs schon erwähnt: „Always On The Run“ war mit Abstand der beste Song des Abends. Mit ihm konnte sich Isaak gegen die Tochter von Matthias Reim und Michelle durchsetzen, deren Schlagersong „Naiv“ zu gerne nach Helene Fischer klingen wollte, dabei allerdings kläglich versagte.
Er konnte sich auch gegen Max Mutzke durchsetzen, der vor 20 Jahren (!) bereits am ESC in Istanbul teilnahm und dessen Lied für den deutschen Vorentscheid klang, als habe man die Midlife-Crisis eines alternden Künstlers zu Papier gebracht.
Die anderen Songs des deutschen ESC-Vorentscheides waren so langweilig, dass sie sofort nach der Präsentation durch die Künstlerinnen und Künstler aus dem Gedächtnis verschwanden.
Schuld ist der NDR
Verantwortlich für diese desolate Musikauswahl ist der Norddeutsche Rundfunk, der seit Juli 2023 um Bewerberinnen und Bewerber für den deutschen ESC-Vorentscheid geworben hatte. An Abwechslung mangelte es dem NDR dabei nicht. 693 vollständige Bewerbungen trudelten bis zum Ablauf der verlängerten Frist beim Organisator des Wettbewerbs ein. Daraus wählte eine Jury 32 Songs aus, die in die engere Auswahl rückten.
Bei dieser Jury liegt das entscheidende Problem. Zwar besteht das Auswahlgremium aus verdienten Künstlerinnen und Künstlern, die bereits am ESC teilgenommen haben, sowie aus ehemaligen Jury-Mitgliedern des Eurovision Song Contest – aber ihr gehören eben vor allem arrivierte Mitglieder der Musikindustrie an. Sie hatten ihre fünf Minuten Ruhm und haben es mal wieder nicht geschafft, Kandidatinnen und Kandidaten für den ESC auszusuchen, an die man sich auch noch in Jahren aufgrund ihrer Obskurität oder ihres Talents erinnert.
Lasst das Publikum entscheiden!
Schauen wir nach Schweden: Dort wählen die Zuschauerinnen und Zuschauer bei mehreren Ausgaben des Melodifestivalen den ESC-Vertreter ihres Landes. Dieses Format hat gewisse Vorteile – allen voran, dass Hörerinnen und Hörer nun mal am besten wissen, was ihnen gefällt, und so Vertreterinnen und Vertreter auswählen können, die Potenzial haben, dass man sich an sie erinnert. In diesem Jahr tritt etwa die Metalband Smash Into Pieces an, die mit einer erfrischenden Bühnenshow und einem einprägsamen Song gute Chancen auf den Titel hat.