München, Düsseldorf Hildegard Wortmann hat einen knappen Ratschlag: „Mut lohnt sich“, sagt die Audi-Managerin. Es ist Ende Oktober und Wortmann schildert Studierenden wie sie es als Branchenfremde in die Vorstandsetage der Autoindustrie geschafft hat. „Es hilft ja nichts 23 Optionen zu checken, irgendwann muss man mal zuschlagen“, resümiert die ehemalige Absolventin.
Es ist diese Mischung aus Mut und Zielstrebigkeit, die Wortmann jetzt in den VW-Konzernvorstand führt. Künftig wird die 55-Jährige neben Audi den gesamten Vertrieb im VW-Konzern verantworten – damit hat sie die Hoheit über ein Dutzend Marken und quick zehn Millionen Autos professional Jahr. Sie ist die erste Frau auf dem Posten überhaupt und eine enorm wichtige Stütze für den angeschlagenen Vorstandschef Herbert Diess.
Der hatte den Vertrieb bislang selbst geleitet, aber zunehmend den Zugriff auf die Probleme verloren. Weil Halbleiter fehlen, können VW, Audi, Skoda und Seat nicht genug Autos ausliefern. Im wichtigsten Markt China stockt der Absatz bedenklich.
Volkswagen muss seine Elektrooffensive auf die Straße bringen und den Handel digitalisieren. Dabei hat jede Marke ein eigenes Vertriebsressort mit allen Eitelkeiten und Rivalitäten. Es ist eine Mammutaufgabe, die auf Hildegard Wortmann wartet.
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Diess hat Wortmann bei BMW abgeworben
Diess traut ihr diese Aufgabe zu – man kennt sich aus gemeinsamen BMW-Zeiten. „Dort hatte ich angerufen und gefragt ob die einen Job haben“, erinnert sie sich an ihren Einstieg Ende der 90er-Jahre, nachdem sie zuvor bei Unilever Marken wie Calvin Klein betreut hatte.
Wortmann geht zur BMW-Tochter Mini und verhilft der Marke geschickt zu neuem Leben. Anschließend verantwortet sie das Produktmanagement bei BMW, positioniert Geländewagen und Elektroautos. Sie eckt an in einem von Ingenieuren dominierten Konzern, doch sie hat Förderer wie den ehemaligen BMW-Chef Harald Krüger. Der Weg in den Vorstand bleibt ihr aber versagt – 2018 wird ihr der branchenfremde Pieter Nota vorgezogen.
Enttäuscht fügt sie sich zunächst, übernimmt den Vertrieb in Asien, geht nach Singapur. Dort meldet sich Herbert Diess und bietet ihr das Vertriebsressort bei Audi an. Die Verlockung zum Rivalen zu wechseln ist groß. Diess hatte zuvor Markus Duesmann aus dem BMW-Vorstand für den Audi-Chefposten abgeworben. Nicht nur das verbindet die beiden. Duesmann und Wortmann sind Münsterländer.
Es folgt die nach dem Dieselskandal lange fällige Wende. Modellikonen wie der TT fliegen aus dem Portfolio, alles wird auf Elektromobilität ausgerichtet, 2033 soll der letzte Verbrennungsmotor verkauft werden. Mit „Artemis“ plant Audi eine völlig neue Autogeneration für die Oberklasse, mit der sich die VW-Tochter 2025 wieder an die Spitze der Branche stellen will.
Wortmann und Duesmann brechen Strukturen bei Audi auf. Wo früher Vorstände mit Herr Professor angeredet wurden, herrscht jetzt ein lässiges „Du“, in der Führungsetage. „Wir brauchen gute Typen“, sagt Wortmann. Eine Stärke ist ihr Repertoire: Sie kennt die Sprache der Schrauber genauso wie den Auftritt auf der großen Bühne. Sie kann Rennen fahren und repräsentieren.
Der Vertrieb wird im Konzern aufgewertet
Dass es seit sechs Jahren erstmals wieder einen Konzernvertriebsvorstand bei Volkswagen gibt, geht vor allem auf die Familie Porsche-Piëch zurück, die diesen Posten wieder einführen wollte. Hans Michel Piëch, einer der beiden Familiensprecher und eines der einflussreichsten Mitglieder des Volkswagen-Aufsichtsrats, lässt sich persönlich von Christian Klingler beraten.
Klingler ist der letzte Konzernvertriebsvorstand, den es in Wolfsburg gegeben hatte. Der Österreicher warfare im Herbst 2015 bei der Neuordnung des Vorstands nach der Aufdeckung des Dieselskandals bei Volkswagen ausgeschieden, das Vertriebsressort wurde damals aufgelöst. Danach warfare der Konzernvertrieb in aller Regel beim Vorstandschef angesiedelt.
Die Familie hält ein eigenes Ressort für unverzichtbar, weil der Konzernvertrieb damit über alle Marken hinweg gestärkt werde. Bei Audi habe sich Hildegard Wortmann als Vertriebschefin einen guten Namen gemacht, hieß es in Konzernkreisen zu ihrer Berufung. Deshalb sei es keine Überraschung, dass sie den jetzt wieder eingeführten Posten bekomme. Ihre Mission in Wolfsburg kann beginnen.
Mehr: Volkswagen-Aufsichtsrat beschließt Vorstandsumbau – Diess bleibt