Fechten ist eine der Sportarten, die viele Menschen in Deutschland nur bei den Olympischen Spielen verfolgen. Doch dort könnte einiges nicht mit rechten Dingen zugehen.
Die Bilder im olympischen Viertelfinale im Säbelfechten der Männer gingen durch Deutschland. Der deutsche Athlet Matyas Szabo streckte nach dem entscheidenden Punkt gegen den Ägypter Ziad El-Sissy beide Arme in die Luft und war sich sicher, dass er im Halbfinale stünde. Doch auch El-Sissy freute sich ausgelassen, am Ende bekam der Nordafrikaner den Punkt vom Schiedsrichter und setzte sich durch.
Eine Szene, die ein großes Dilemma im Fechtsport verdeutlicht. Viele Schiedsrichter-Entscheidungen sind nicht eindeutig, sondern Ermessenssache des Unparteiischen. Und genau da setzt eine brisante ARD-Dokumentation um Investigativjournalist Hajo Seppelt an, die am Sonntagabend zu sehen war.
Joachim Wargalla, ein Ex-Kampfrichter, erläuterte die Problematik. Das Regelwerk sei so „kompliziert geworden, dass es extrem interpretierbar ist. Es ist damit auch manipulierbar für den Kampfrichter“, so Wargalla. „Ich kann heute in etwa 50 Prozent der Fälle, in denen beide Fechter aufeinander zustürzen und sich treffen, nicht entschieden. Ich weiß nicht, warum der Treffer so fällt.“
Das bedeutet in Bezug auf den Fall des deutschen Fechters Szabo: Ein anderer Schiedsrichter hätte die Situation komplett anders beurteilen können, Szabo wäre in die nächste Runde eingezogen. Diese Beliebigkeit der Entscheidungen ermöglicht, dass Manipulationen im Fechten recht leicht möglich sind.
Auch der Ex-Schiedsrichter Marcus Schulz kam zu Wort, sprach von einem Manipulationsversuch, den er selbst miterlebt habe. Von einem im Fechten gut vernetzten Trainer sei Schulz einen Abend vor einem Kampf kontaktiert worden. Der Trainer habe zu Schulz gesagt: „Marcus, ich muss mit dir reden.“
Video | Wutanfall und Attacke auf Kampfrichterin
Quelle: Eurosport
Danach seien die beiden auf das Hotelzimmer des Trainers gegangen, woraufhin der Übungsleiter laut Schulz sagte: „Marcus, wärst du bereit, einen gewissen Vorteil anzunehmen? Für den und den Fechter würden wir dir 5.000 Euro geben.“ Schulz habe erwidert, dass er das Angebot „auf gar keinen Fall“ annehmen werde. Daraufhin sei der Trainer ungemütlich geworden: „Sei nicht naiv! Versuchst du jetzt, ein guter Junge zu sein oder was? So wirst du es nie nach oben schaffen, du wirst nie ein Top-Kampfrichter werden. Entweder spielst du mit uns oder du bist gegen uns.“
Zudem nannte der ehemalige Schiedsrichter Schulz in der ARD-Doku bedenkliche Zahlen: „Wenn Sie sagen würden, wir haben zehn Elite-Kampfrichter im Säbelfechten, dann sind fünf von denen beeinflussbar. Die reichen ihnen, um ein komplettes Turnier zu manipulieren.“ Noch weiter ging Ex-Kampfrichter Wargalla: „Ein bezahlter Kampfrichter, dem man sagt, was er zu tun hat, erfordert gar kein Bestechungsgeld. Ihm wird gesagt, wer gewinnen soll. Und wenn er das nicht macht, verliert er seinen Job oder wird nicht mehr eingesetzt.“
Aufgrund der Zustände im Fechten hat Wargalla eine ganz klare Forderung: „Solange das Säbelfechten in der Form manipulierbar ist, sollte es nicht im olympischen Programm weitergeführt werden.“