Nach Eklat auf Parteitag
Antisemitismus-Streit: Abgeordnete verlassen Berliner Linke
Aktualisiert am 23.10.2024 – 17:26 UhrLesedauer: 4 Min.
Beim Thema Antisemitismus tut sich die Berliner Linke schwer, eine gemeinsame Linie zu finden. Es kommt zum Eklat. Nun kehren einige Politiker der Partei den Rücken – auch Ex-Senator Lederer.
Chaostage bei der Berliner Linken: Im Streit um den richtigen Weg im Kampf gegen Antisemitismus haben fünf bekannte Abgeordnete die Partei verlassen. Es handelt sich um die früheren Senatoren Elke Breitenbach, Klaus Lederer und Sebastian Scheel, den früheren Fraktionsvorsitzenden Carsten Schatz sowie den Rechtsexperten Sebastian Schlüsselburg. Das teilte die bislang 21 Mitglieder zählende Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus mit, in der die Politiker nach eigener Aussage weiter mitarbeiten wollen.
In einer via Social Media verbreiteten Erklärung der fünf Abgeordneten hieß es, für die Linke seien eine Reihe inhaltlicher und strategischer Klärungsprozesse unabdingbar, um künftig wieder erfolgreich zu sein. „Dies haben wir immer wieder eingefordert und uns daran beteiligt. Es steht aber nach wie vor aus.“
Seit einiger Zeit sei es ihnen immer weniger möglich, sich im Berliner Landesverband für ihre inhaltlichen Positionen einzusetzen, schreiben die Politiker weiter. Dies hätten sie bei einer klaren Positionierung zum Antisemitismus erlebt, aber zum Beispiel auch bei der Frage der Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine. Deshalb hätten sie nun schweren Herzens ihren Austritt erklärt.
Am 11. Oktober war es bei einem Landesparteitag zu einer heftigen Auseinandersetzung und zu einem Eklat gekommen: Anlass war ein von Lederer und anderen nun abtrünnigen Politikern unterstützter Antrag zur Ablehnung von Antisemitismus, der auch Judenhass von links thematisierte.
Dort wurde unter anderem als zutiefst alarmierend bezeichnet, dass Menschen, die sich politisch links verorten, das Massaker der Hamas vor einem Jahr relativiert und mitunter sogar gefeiert hätten oder zur Vernichtung Israels aufgerufen werde. Nachdem es keine Einigung über das Papier gab, verließen etliche Delegierte, darunter Lederer und die Bundestagsabgeordnete Petra Pau, die Versammlung.
Nach dem Parteitag waren bereits der frühere Linke-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, und Pankows Ex-Bezirksbürgermeister Sören Benn aus der Partei ausgetreten. Zudem wurde vor allem in sozialen Medien heftig über die Vorkommnisse diskutiert.
„Differenzen in der Sache werden stärker denn je auch über die sozialen Netzwerke personalisiert ausgetragen und zu Machtkämpfen erklärt“, beklagen Lederer & Co in ihrer Erklärung. Diese Tendenz habe es in der Partei zwar immer gegeben. „Inzwischen sind wir aber an einem Punkt angelangt, an dem sich in für unser Selbstverständnis zentralen politischen Fragen unvereinbare Positionen verfestigt gegenüberstehen und eine nötige sachliche und inhaltliche Erklärung nicht stattfindet.“
Die Linke-Landesvorsitzenden Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer nahmen die Austritte „mit großem Bedauern“ zur Kenntnis. „Diese Entscheidungen sind zu respektieren. Sie sind ein großer Verlust für unsere Partei“, erklärte das Führungsduo. Breitenbach, Lederer, Schatz, Scheel und Schlüsselburg hätten die Linke Berlin mit aufgebaut und in Oppositions- wie Regierungszeiten über viele Jahre geprägt.
„Wir sind uns bewusst, dass wir als Partei viele Aufgaben vor uns haben“, so Brychcy und Schirmer. Einen am Dienstagabend „in großer Einigkeit“ verabschiedeten Beschluss des Landesvorstands zum Thema Antisemitismus wollen man nun umsetzen. „Gerade jetzt brauchen wir jede aktive Unterstützung, unsere Türen bleiben offen.“ Auch die Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und Tobias Schulze bedauerten die Parteiaustritte, ebenso Linke-Bundesgeschäftsführer Janis Ehling.
Mit der Resolution des Linke-Vorstandes verband die Parteispitze die Hoffnung, die Situation nach dem Eklat auf dem Parteitag zu befrieden. Dort wird angekündigt, ein Maßnahmenpaket gegen Antisemitismus zu erarbeiten und den parteiinternen Streit über das Thema aufzuarbeiten. Zudem solle der Dialog mit jüdischen Gemeinden sowie mit „von Antisemitismus und Rassismus betroffenen Communities“ fortgesetzt werden.