Berlin Ein letztes Mal stehen sie hier im Berliner Velodrom zusammen als Parteivorsitzende der Grünen. „Ein merkwürdiger Second“, beschreibt es Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck. Ein Abschied sei es indes nicht: „Es beginnt ein neuer Akt“, sagt Habeck am Freitag auf dem Parteitag der Grünen, der erste seit Bildung der neuen Bundesregierung mit SPD und FDP.
Zusammen mit Annalena Baerbock, der heutigen Bundesaußenministerin, warfare er vor vier Jahren angetreten, die Grünen breiter aufzustellen und möglichst in die Regierung zu führen. Jetzt, als Minister, müssen beide als Parteichefs der Grünen abtreten. So sieht es die Satzung vor.
Aber zuvor verteidigt Habeck sich und die Regierung gegen einigen Unmut aus der Foundation: „Okay, es fehlt das Verkehrsministerium, aber hey, wir haben 14 Komma X Prozent, nicht 25 Komma X Prozent.“ Man werde das kompensieren können, meint Habeck, durch ein kluges Zusammenspiel der Ministerien. „Wir können Wirklichkeit gestalten und das ist kein Grund, verzagt zu sein, ganz im Gegenteil.“
Seine Partei schwört er auf Kompromisse ein. „Kompromisse sind die Kunst von Politik“, sagt Habeck. Sie bedeuteten aber nicht den Abschied von Idealen.
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„Ja, die Taxonomie ist ein schwieriges Kapitel“, gesteht Habeck ein. Und auch wenn die Grünen die geplante Einbeziehung von Atomkraft und Erdgas in die EU-Kategorie für grüne Investments ablehnten, sei es doch intestine, dass sie in der Regierung jetzt wenigstens darauf hinwirken könnten, dass die Förderung für neue Gaskraftwerke so passgenau sein werde, dass die Infrastruktur der Werke nicht alte Strukturen zementiere, sondern auf die Belange der Zukunft ausgerichtet werde.
Habeck: Förderung für Gebäudesanierung „enorm überzeichnet“
Auch die Förderung der Gebäudesanierung und das abrupte Ende am vergangenen Montag verteidigt Habeck und kündigte Lösungen für noch offene Anträge an. Von insgesamt fünf Milliarden Euro Fördergeldern seien noch 1,8 Milliarden übrig und es komme noch „ein bisschen was“ hinzu. Man werde die fünf Milliarden „moderat“ aufstocken können. Aber das Programm sei enorm überzeichnet gewesen und es sei nicht gelungen, Haushaltsmittel flüssig zu machen. „Das ist ein harter Einschnitt gewesen.“
Trotzdem könne man froh sein, „dass wir jetzt die Verantwortung haben“. Es dauere ein bisschen, aber das nächste Programm „wird sozialer ausgerichtet sein, wird nicht diese Mitnahmeeffekte für diejenigen haben, die es vielleicht gar nicht brauchen“, und es werde eine bessere Bilanz mit Blick auf die CO2-Emissionen haben.
Beide verabschieden sich vom Amt der Parteichefs.
(Foto: dpa)
Erneut plädierte Habeck für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien auch als ein Instrument gegen steigende Energiepreise: „Die Energiepreise sind ein echtes Downside für viele Menschen.“ Es seien sozialpolitische Maßnahmen nötig wie der geplante Heizkostenzuschuss beim Wohngeld.
Die geplante Abschaffung der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werde den Anstieg der Energiepreise nur dämpfen. Man müsse weitere Lösungen finden, die ganz wesentlich im Ausbau der erneuerbaren Energien lägen. „Dafür sind wir gewählt worden.“ Der Ökostrom sei am Ende günstiger als Strom aus fossilen Energien. „Und sie machen uns unabhängiger.“
Baerbock: Vier großartige gemeinsame Jahre
Gute 20 Minuten spricht Habeck, ohne Spickzettel, die Themen hat er drauf. Es folgt Noch-Co-Chefin Baerbock, die seit dem verstolperten Wahlkampf an Selbstsicherheit zugelegt hat. „Das waren großartige vier gemeinsame Jahre“, fasst Baerbock die Zeit an der Parteispitze zusammen. Ihre Partei lebe davon, „dass wir ringen, dass wir streiten, dass wir lachen.“ Kompromisse, sagte auch sie, gehörten dazu.
Klimapolitik, Sicherheits- und Friedenspolitik, das sind ihre Themen. „Wir stehen an der Seite der Ukraine bei Sicherheit, Verteidigung, aber vor allem bei der Frage, die wirtschaftliche Stabilität aufrechtzuhalten“, betont die Außenministerin.
Der Politische Bundesgeschäftsführer, Michael Kellner, betont: „Wir sind keine kleine Partei mehr.“ Jetzt beginne eine neue Zeit. Es gehe nicht darum, es besser zu wissen, sondern es besser zu machen. Daran werde seine Partei gemessen. Dafür seien die Grünen angetreten, dafür hätten sie gekämpft. Der Anspruch sei, auch in künftigen Wahlen um den Sieg zu kämpfen.
Zuvor ging Kellner Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nach dessen Kritik am Russland-Kurs von Außenministerin Baerbock hart an. „Die Ausführungen, die ich von Gerhard Schröder gehört habe, sind eines ehemaligen Bundeskanzlers unwürdig“, sagte Kellner. „Diese Ausführungen unterminieren die Anstrengungen der Bundesregierung, eine friedliche Lösung zu finden und sie vertauschen Ursache und Wirkung.“
>>Lesen Sie hier: SPD sucht nach Geschlossenheit in der Russland-Frage
Die Grünen hatten um 17 Uhr ihren überwiegend digital stattfindenden Parteitag begonnen, Motto „Wurzeln für die Zukunft“. Im Berliner Velodrom kam ein kleinerer Kreis an Spitzenpolitikern der Partei zusammen, Delegierte waren nicht anwesend.
Am Samstag wählen die Grünen ihren neuen Bundesvorstand. Als Parteichefs bewerben sich Omid Nouripour und Ricarda Lang. Politische Bundesgeschäftsführerin will Emily Büning werden. Die Hamburgerin kennt die Parteizentrale intestine. Sie ist seit 2012 Organisatorische Geschäftsführerin der Grünen und damit so etwas wie die wichtigste Managerin der Parteiverwaltung.
Mehr: Robert Habecks Balanceakt: Ein Minister zwischen Klima und Wirtschaft