In Budapest treffen sich Rechtsextreme aus ganz Europa zum SS-Gedenken. Zwei Deutschen wird vorgeworfen, im vorigen Jahr Teilnehmer des Treffens angegriffen zu haben.
Am Samstag zogen wieder Rechtsextreme aus ganz Europa durch Budapest. Der sogenannte „Tag der Ehre“ findet jedes Jahr im Februar in der ungarischen Hauptstadt statt. Vergangenes Jahr kam es am Rande des Marsches zu Angriffen auf mehrere mutmaßliche Teilnehmer des SS-Gedenkens. Ein Deutscher sitzt dafür seit einem Jahr in ungarischer Haft, angeklagt sind außerdem eine weitere Deutsche und eine Frau aus Italien.
Am Montag der vergangenen Woche (29. Januar) startete der Prozess am Budapester Stadtgericht. t-online war vor Ort und berichtet über den ersten Verhandlungstag sowie weitere Hintergründe.
Prozessauftakt in Budapest: Zwei Deutsche auf der Anklagebank
Das mediale Interesse an diesem Prozesstag im Budapester Stadtgericht war vor allem wegen Ilaria Salis groß. Fast alle namhaften italienischen Medien hatten ihre Vertreter geschickt. Aus Deutschland waren nur wenige Journalisten vor Ort. Dabei wurde nicht nur sie von vermummten Wärtern einer Spezialeinheit mit Hand- und Fußfesseln an einer Kette in den Gerichtssaal geführt. Ihr voran lief der Berliner Tobias E.
Der 29-Jährige muss sich nicht nur in Ungarn verantworten, er ist auch in Deutschland angeklagt. Konkret wird ihm die Teilnahme an dem Überfall auf den Eisenacher Rechtsextremisten Leon R. im Dezember 2019 vorgeworfen. Die Behörden zählen ihn zum Umfeld der im Mai 2023 vom Dresdner Oberlandesgericht wegen Mitgliedschaft in einer linksextremen kriminellen Vereinigung verurteilten Antifaschistin Lina E.
Fast unbemerkt huschte die Berlinerin Anna M. zu den beiden anderen auf die Anklagebank. Die ungarischen Behörden werfen allen dreien die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor. Salis werden zusätzlich drei konkrete Angriffe auf vermeintliche bzw. mutmaßliche Teilnehmer der rechtsextremen Veranstaltung „Tag der Ehre“ vorgeworfen. Das SS-Gedenken ist seit Jahren eine feste Größe der europäischen Neonazi-Szene.
Grundschullehrerin werden Hygieneprodukte verwehrt
Salis Schicksal ging bereits Ende 2023 durch die italienischen Medien. In einem Brief an ihre Eltern, der beispielsweise in „La Repubblica“ zitiert wurde, prangert sie desolate Haftbedingungen an. Ihre Zelle sei gerade mal drei Quadratmeter groß und von Bettwanzen und Kakerlaken befallen. Außerdem seien ihr phasenweise grundlegende Hygieneprodukte wie Tampons und Binden verwehrt worden.
Sie habe stattdessen Wattebüschel für ihre Menstruationsblutung verwenden müssen. Sie beteuerte seit der Verhaftung immer wieder ihre Unschuld. Seit der Veröffentlichung des Briefs steht der Zustand der 39-jährigen Grundschullehrerin aus Monza bei Mailand in der italienischen Öffentlichkeit.
Enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ungarn
Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, so lautet die Anklage, die am ersten Prozesstag verlesen wurde. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft, soll es sich dabei um die europäische Erweiterung jener Gruppierung handeln, die Johann G. spätestens im 2018 in Leipzig gegründet haben soll. Deren Mitglieder sollen nicht nur gezielt Angriffe auf Rechtsextreme und Neonazis verübt, sondern dies auch immer wieder in Trainings geübt haben.
Vieles von dem, was im Gerichtssaal des Stadtgerichts von Budapest verlesen wurde, klingt wie das, was das Oberlandesgericht Dresden in seiner Urteilsbegründung im Mai 2023 festgehalten hat. Die Verlobte des mutmaßlichen Drahtziehers G. wurde damals unter anderem für ihre Mitgliedschaft in der Vereinigung zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Drei weitere Angeklagte erhielten für Mitgliedschaft oder die Unterstützung der Gruppe damals mehrjährige Haftstrafen. Der Informationsaustausch zwischen deutschen und ungarischen Behörden und Ermittlern scheint eng zu sein. Welche Stellen dabei konkret zusammenarbeiten, ist ebenso unklar, wie der Umfang der Zusammenarbeit.
Das Verfahren in Budapest wurde für die ausländischen Angeklagten von Dolmetscherinnen übersetzt. Nach der Verlesung der Anklage wandte sich der Richter direkt an die Beschuldigten: „Schuldig oder nicht schuldig“, lautete die Frage.