Nach mehreren israelischen Tötungsversuchen herrschte die Annahme, der Hamas-Kommandeur Mohammed Deif habe seine Beine verloren. Das könnte ein Irrtum sein.
Bei israelischen Tötungsversuchen wurden dem Chef des militärischen Hamas-Arms mehrere Gliedmaßen abgerissen: Diese seit vielen Jahren in Israel weit verbreitete Vorstellung stimmt Medienberichten zufolge doch nicht. Die Armee habe ein Video gefunden, das Mohammed Deif mit beiden Beinen und Armen zeige, meldete das israelische Armeeradio am Mittwoch.
Bislang war angenommen worden, dass der Kommandeur der sogenannten Kassam-Brigaden beide Beine sowie einen Arm bei israelischen Angriffen vor mehr als einem Jahrzehnt verloren hatte und dass er teilweise gelähmt sei. Derzeit sitzt er dem Bericht zufolge aber nicht im Rollstuhl, womöglich sei dies einige Jahre während seiner Genesung der Fall gewesen.
Israelische Zeitung: „Deif kann alleine gehen“
Auch die israelische Zeitung „Maariv“ berichtete von einem im Gazastreifen entdeckten Video, das zeigen soll, wie Deif, wenn auch humpelnd, läuft. „Deif kann alleine gehen und braucht keinen Rollstuhl. Er scheint auch in der Lage zu sein, beide Arme zu benutzen“, hieß es in dem Bericht. Dies stehe „im völligen Widerspruch zu den detaillierten Einschätzungen des israelischen Geheimdienstes über seine körperliche Verfassung aus den letzten Jahren“. Demnach ging man in Israel davon aus, dass Deif pflegebedürftig sei und eine Vielzahl körperlicher Behinderungen habe.
Die Zeitung sprach von „Versäumnissen der israelischen Geheimdienste“. Nach Angaben des Armeeradios war diesen aber bereits seit Jahren bekannt, dass der Hamas-Kommandeur in deutlich besserer Verfassung ist als allgemein bekannt. Israels Armee wollte sich auf Nachfrage nicht zu den Berichten äußern.
Deif gilt gemeinsam mit dem Hamas-Chef im Gazastreifen, Jihja al-Sinwar, als Planer des Massakers in Israel am 7. Oktober. In einer seltenen Botschaft kündigte Deif an jenem Tag die „Militäroperation“ gegen Israel an.
Frau und Kind starben bei Luftangriff
Bei einem Luftangriff auf ein Haus in Gaza gegen Ende des Gaza-Kriegs 2014 kamen Deifs Ehefrau und sein kleiner Sohn ums Leben; er selbst konnte entkommen. Bekannt auch als das „Phantom“, hat er Berichten zufolge insgesamt sieben israelische Tötungsversuche überlebt, wobei er viermal teils schwer verletzt wurde. Der Chef der Kassam-Brigaden soll seit Jahren in einem Versteck leben.
Deif und Sinwar stehen auch im aktuellen Krieg ganz oben auf einer Liste mit Terroristen, die getötet werden sollen. Israel bietet Augenzeugen zufolge Bewohnern des Gazastreifens 100.000 US-Dollar (knapp 92.000 Euro) für Informationen zu Deif. Demnach verteilte die Armee Flugblätter, um Hinweise auf die Führungsspitze der Terrororganisation zu erhalten. Für Jihia Sinwar wurden 400.000 US-Dollar (rund 366.000 Euro) ausgelobt.
Es sei aber wahrscheinlich, dass sich die Hamas-Führer mit einigen der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln umgäben, schreibt die „Washington Post“. Dies erschwere der Armee die Tötung der beiden.