Die Ampel wollte ihr Milliardenloch mit einer Reihe von Tricks stopfen. Jetzt aber melden Experten daran verfassungsrechtliche Bedenken an. Damit ist der ganze Deal in Gefahr.
Der Haushaltskompromiss der Ampel droht an einer entscheidenden Stelle zu platzen. Wie t-online am Donnerstag aus Regierungskreisen erfuhr, haben unabhängige Experten Bedenken an dem Vorgehen geäußert, mit dem die Ampel das noch bestehende Finanzloch in Höhe von 17 Milliarden Euro halbieren will. Damit werden harte Nachverhandlungen zum Etat für 2025 sehr wahrscheinlich.
Zuerst hatte am Donnerstag das „Handelsblatt“ berichtet und sich dabei auf mehrere Regierungsmitglieder und ein entsprechendes Schreiben berufen. Am Abend hieß es auch aus dem Finanzministerium, dass nun „weitere Gespräche innerhalb der Bundesregierung sowie im Rahmen der parlamentarischen Beratungen notwendig“ seien. Es brauche weitere „Konsolidierungsbeiträge“, denkbar seien auch Maßnahmen, um bei den Sozialausgaben „treffsicherer“ zu werden.
Konkret geht es bei den Bedenken der Experten um die Frage, ob der Bund der Deutschen Bahn sowie der Autobahn GmbH statt Zuschüssen auch Darlehen geben darf. Der Clou an diesem Plan: Der Bund dürfte sich für die Darlehen verschulden, müsste diese Schulden aber nicht auf die Schuldenbremse anrechnen – weil den Krediten an die staatseigenen Unternehmen Vermögenswerte in Form künftiger Rückzahlungen samt Zinsen gegenüberstünden. Zudem sieht der Haushaltskompromiss vor, bislang ungenutzte Gelder aus der Gaspreisbremse im Haushalt 2025 umzuwidmen, ein Vorgehen, das nach dem Schuldenbremsenurteil des Verfassungsgerichts von Beginn an als besonders umstritten galt. Alle drei Maßnahmen sollen so die Lücke um 9 Milliarden Euro reduzieren.
Gemacht hatte diese Vorschläge das Kanzleramt, kurz vor Abschluss der Verhandlungen zwischen Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Lindner stimmte vorbehaltlich einer Prüfung durch unabhängige Experten zu. Die Ergebnisse dieser Prüfung zeigen jetzt aber: Die Haushaltstricks sind so womöglich nicht mit der Schuldenbremse vereinbar und könnten dem Grundgesetz widersprechen.
In dem Brief, den der Beirat an Lindner schrieb, und der t-online vorliegt heißt es: „Der Beirat äußert vor dem Hintergrund der Schuldenbremse an allen von der Bundesregierung in diesem Zusammenhang erwogenen Maßnahmen erhebliche Zweifel.“
Neben dem Wissenschaftlichen Beirat, der größtenteils mit Ökonomen besetzt ist, hat zusätzlich auch der vom Finanzministerium beauftragte Rechtsprofessor Johannes Hellermann sein juristisches Gutachten abgeschlossen, über das zuerst „Zeit Online“ berichtete. Auch Hellermann äußert demnach Bedenken, vor allem an der Umwidmung der KfW-Gelder sowie an der Finanztransaktion mit der Autobahn-GmbH, die aktuell noch keine eigenen Einnahmen generiert. Hier läge ein „nicht unerhebliches Risiko“ vor. Weniger problematisch seien dagegen die Darlehen für die Bahn.
Lindner hatte zuvor immer wieder betont, er werde am Ende nur einem Haushalt zustimmen, der auch verfassungskonform ist. Im Interview mit t-online sagte er noch vor wenigen Wochen: „Ich möchte auch mit externen Gutachtern jedes Risiko ausschließen. Bestehende Flexibilitäten der Schuldenbremse nutze ich, aber an ihrer Aushöhlung beteilige ich mich nicht.“
Auf die Frage, was geschehe, wenn die Prüfung wie jetzt berichtet Zweifel an der Verfassungskonformität nähre, sagte Lindner: „Wenn es nicht geht, werden wir andere Lösungen finden.“
Enger Zeitplan bis zu den Parlamentsverhandlungen
Genau darum dürfte es jetzt nach den Sommerurlauben des Kanzlers und seiner Minister gehen. Das Finanzministerium sieht demnach Sparpotenzial bei „konsumtiven Ausgaben“ und auch im Sozialbereich. Das wiederum dürften die Koalitionspartner SPD und Grüne kaum mitmachen wollen.
Viel Zeit bleibt der Ampel nicht für möglicherweise erneut nötige Spitzengespräche. Nachdem das Bundeskabinett den Haushaltsentwurf vor zwei Wochen in seiner noch offenen Form beschlossen hatte, soll der Etatplan bis zum 14. August eigentlich komplett fertig sein, sodass er am 16. August dem Bundestag sowie an den Bundesrat übergeben werden kann.
Die Parlamentarier als Geldgeber der Regierung sollen dann bis Anfang September Zeit bekommen für einen ersten Check. Für die erste Sitzungswoche nach der Sommerpause Mitte September ist dann die erste Lesung des Haushalts angesetzt, anschließend beginnen die Beratungen im Haushaltsausschuss.