Noch in der vergangenen Woche konnten zwei zentrale Gesetze in der Migrationspolitik nicht vom Bundestag beschlossen werden – die Ampel war sich wieder mal nicht einig. Nun gibt es doch noch einen Kompromiss.
Abschiebungen sollen leichter werden, Einbürgerungen auch: Die Koalition hat sich doch noch auf einen Kompromiss zu den entsprechenden beiden Gesetzentwürfen geeinigt. Das geht aus einer knappen Erklärung der Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP hervor.
Sowohl die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts als auch das „Gesetz zur Verbesserung der Rückführung“ könnten damit im Januar vom Bundestag beschlossen werden. In der gemeinsamen Mitteilung ist mit Blick auf die beiden Vorhaben von einer „modernen Einwanderungsgesellschaft und den Prinzipien von Humanität und Ordnung“ die Rede.
Europäisches Asylsystem wird reformiert
Zugleich einigten sich Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments nach jahrelangen Verhandlungen in Brüssel auf eine umfassende Reform des europäischen Asylsystems. Ziel ist es, die unerwünschte Migration nach Europa einzudämmen.
Die beiden Vorhaben, auf die sich die Ampel-Fraktionen nun verständigt haben, waren noch in der vergangenen Woche nicht wie ursprünglich geplant zur abschließenden Beratung und Abstimmung auf die Tagesordnung des Bundestags gesetzt worden. Grund dafür war, dass vor allem die Grünen noch Nachbesserungen wollten, die von der FDP abgelehnt wurden.
– Zuwanderer sollen bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Staatsbürger werden können, vorausgesetzt sie können ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe bestreiten. Bisher müssen sie mindestens acht Jahre im Land leben. Bei guten Leistungen in Schule oder Job, guten Sprachkenntnissen oder ehrenamtlichem Engagement soll die Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich sein.
– Wer einen deutschen Pass haben möchte, soll den alten dafür nicht mehr aufgeben müssen. Das gilt jetzt schon für EU-Bürger und einige Sonderfälle, aber beispielsweise nicht für Menschen aus der Türkei.
Außerdem will die Ampel mit Verfahrensvereinfachungen dafür sorgen, dass mehr Menschen ohne Bleiberecht abgeschoben werden. Bislang scheitern Abschiebungen oft im letzten Moment, etwa weil Betroffene nicht auffindbar sind.
– Deshalb soll die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams künftig von bislang 10 Tagen auf 28 Tage verlängert werden.
– Außerdem sollen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen.
Einbürgerung über Härtefallklausel möglich
Streitpunkte in den Verhandlungen der Koalitionspartner waren unter anderem von den Grünen sowie von SPD-Abgeordneten geforderte Ausnahmen bei der Einbürgerung für Behinderte und Menschen, die unverschuldet arbeitslos geworden sind. Diese sollten demnach auch dann eingebürgert werden können, wenn sie Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Außerdem war diskutiert worden, ob Menschen, die in Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam kommen, automatisch kostenfrei ein Pflichtverteidiger an die Seite gestellt werden sollte. Auch die ausgeweitete Betretungserlaubnis für die Abholung eines abzuschiebenden Menschen stieß bei den Grünen auf Kritik.
Beim Anspruch auf Einbürgerung wird es keine Ausnahmen geben, wie es nun in Koalitionskreisen hieß. „Aber es wird weiterhin möglich sein, dass Personen mit Behinderungen oder andere Menschen, die es schwer haben, ihren Lebensunterhalt selber zu verdienen, über die Härtefallklausel im Ermessen eingebürgert werden“, sagte die FDP-Innenpolitikerin Ann-Veruschka Jurisch.
Bei Abschiebungen oder Ausreisegewahrsam solle dann, wenn es im betreffenden Fall noch keinen Rechtsbeistand gab, ein Rechtsanwalt beigeordnet werden. Dies solle allerdings erst geschehen, wenn der Betreffende in Gewahrsam beziehungsweise Haft genommen worden sei.
Grüne: „Schmerzhafte Kompromisse“
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz, räumte ein: „Bei der Reform der gesetzlichen Regelungen zu Rückführungen mussten wir durchaus schmerzhafte Kompromisse eingehen, die auch neue Härten für die betroffene Menschen bedeuten können.“ Aber: Dass in Zukunft jeder in einer solchen Situation „eine fachlich fundierte rechtliche Beratung an die Seite gestellt bekommt“, sei essenziell für die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit der Verfahren, sagte von Notz. Die Koalitionäre hätten sich zudem verständigt, gesetzlich klarzustellen, dass die Seenotrettung von Geflüchteten auch in Zukunft nicht kriminalisiert werde.