Die Bundesregierung will mit dem „Sicherheitspaket“ nach Solingen Handlungsfähigkeit beweisen. Doch im Bundestag regt sich bei den eigenen Abgeordneten Widerstand.
Die Ampelkoalition ringt im Bundestag um eine Mehrheit für das sogenannte Sicherheitspaket. In den Fraktionssitzungen von SPD und Grünen am Dienstagnachmittag gab es nach t-online-Informationen viel Kritik an den geplanten Reformen. Mit dem Paket will die Bundesregierung nach dem islamistischen Terroranschlag von Solingen Verschärfungen des Waffenrechts, des Asylrechts sowie mehr Kompetenzen für die Sicherheitsbehörden durchsetzen.
Der Fraktionsvorstand der Grünen sprach in der Sitzung von mehr als 40 Abgeordneten, die dem Vorhaben im Bundestag entweder nicht zustimmen wollen oder zumindest noch skeptisch sind, wie mehrere Teilnehmer übereinstimmend berichten. Bei der SPD haben nach Teilnehmerangaben ungefähr 30 Abgeordnete ihre Hand beim Fraktionsbeschluss zum Thema nicht gehoben.
Sowohl bei den Grünen als auch bei der SPD gehen die Abgeordneten zwar nicht davon aus, dass bei der geplanten Abstimmung im Plenum in dieser Woche alle auch wirklich gegen das Paket stimmen. Bei den Grünen kursiert jedoch trotzdem, dass am Ende 15 bis 20 Abgeordnete ablehnen könnten. Bei der SPD, deren Innenministerin Nancy Faeser das Sicherheitspaket federführend verhandelt hat, können sich manche rund zehn Abweichler vorstellen.
Die Mehrheit der Ampelkoalition im Bundestag wird bei voller Anwesenheit bei 49 Abweichlern gefährdet. Trotz dieser recht komfortablen Mehrheit im Parlament scheinen führende Sozialdemokraten und Grüne die große Zahl der Skeptiker sehr ernst zu nehmen. Die Abgeordneten haben ein freies Mandat, faktisch pochen die Fraktionsführungen bei eigenen Projekten jedoch auf die Fraktionsdisziplin und versuchen, Abweichler bis zuletzt zu überzeugen.
Bei der SPD soll Kanzler Olaf Scholz in der Fraktionssitzung nach Kritik persönlich das Wort ergriffen und Druck für eine Mehrheit gemacht haben. „Das Gesetz braucht eine eigene Mehrheit, sonst muss ich von meinen Möglichkeiten Gebrauch machen“, wird Scholz von Teilnehmern zitiert. Einige interpretieren das als indirekte Drohung mit einer Vertrauensfrage, um die Abgeordneten zu disziplinieren.
Das Gesetz braucht eine eigene Mehrheit, sonst muss ich von meinen Möglichkeiten Gebrauch machen.
Kanzler Olaf Scholz laut Teilnehmern
Auch bei den Grünen soll es in der fraktionsinternen Debatte teils drastische Warnungen vor einem möglichen Koalitionsbruch geben, wenn eine Mehrheit für das Projekt nicht zustande kommt. Dort entzündete sich die Kritik an den Verschärfungen des Asylrechts sowie an den Regelungen zur automatisierten digitalen Gesichtserkennung.
Der ursprüngliche Regierungsentwurf zum Sicherheitspaket war zuletzt im Bundestag an einigen Stellen präzisiert und verändert worden. Die Änderungen liegen seit dem späten Montagabend vor, konnten den Widerstand im Bundestag aber nicht komplett brechen.
Beim Asylrecht bleiben einige Grüne und Sozialdemokraten besonders skeptisch. Kritisiert wird trotz Präzisierungen die Regelung, dass Dublin-Fällen die Unterstützung auf ein Minimum gestrichen werden kann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge es „rechtlich und tatsächlich“ für möglich hält, dass sie in einem anderen EU-Staaten Leistungen erhalten. Dadurch drohe für die Menschen eine lange Hängepartie unterhalb des Existenzminimums, so das Argument der Kritiker.