Das Bundesverfassungsgericht entzieht der NPD die Parteienfinanzierung. Muss jetzt auch die AfD um ihr Staatsgeld fürchten?
Sie „missachtet nach wie vor die freiheitliche demokratische Grundordnung und ist nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet“. So begründet das Bundesverfassungsgericht, dass die NPD-Nachfolgepartei „Die Heimat“ nun für sechs Jahre kein Geld mehr vom Staat bekommt.
Lassen sich daraus auch Konsequenzen für die AfD ableiten – und wenn ja: welche? Bei den demokratischen Parteien gehen die Meinungen darüber auseinander.
Der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, sieht in der Entscheidung durchaus ein mögliches Vorbild. „Verfassungsfeinde dürfen keine staatliche Finanzierung erhalten, das ist ganz klar“, sagte Djir-Sarai t-online. „In dem Sinne könnte das Urteil auch eine Blaupause für andere verfassungsfeindliche Parteien in diesem Land sein. Das würde ich begrüßen.“ Das Urteil unterstreiche, dass die Demokratie wehrhaft sei, so Djir-Sarai.
Linken-Chefin Janine Wissler hält ein ähnliches Vorgehen gegen die AfD für denkbar. „Ob dieses Instrument auch gegenüber der AfD angewendet werden kann, bedarf einer gründlichen Prüfung“, sagte die Linken-Chefin t-online. „Die jüngsten Recherchen über die AfD und Deportationspläne sowie die Nähe zu den ‚Reichsbürgern‘ und die Verbindungen in die militante Nazi-Szene zeigen die Gefährlichkeit der AfD.“
Das Urteil selbst begrüßte Wissler. „Es handelt sich um eine Partei, die offen rassistisch und antisemitisch agiert, die aus ihrer Nähe zur NS-Ideologie keinen Hehl macht und deren Mitglieder mitverantwortlich für Straßengewalt, rechten Terror und Übergriffe sind.“ Auch wenn der Einfluss der NPD zurückgegangen sei, sei es richtig, dass der Staat sie „nicht weiter mit Steuergeldern unterstützt“.
Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich ist etwas zurückhaltender. „Wir müssen uns das Urteil und die Begründung intensiv anschauen, um Schlussfolgerungen für andere verfassungsfeindliche Parteien zu ziehen“, sagte Emmerich t-online. „Die Hürden für den Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung sind jedoch ähnlich hoch wie bei einem Verbotsverfahren. Wir dürfen nicht dem Irrtum aufsitzen, dass es juristisch einfacher oder schneller wäre, Gelder zu entziehen.“
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen die NPD begrüßte Emmerich. „Die NPD ist eine neonazistische Partei“, sagte er. „Ihr Verbotsantrag ist nur gescheitert, weil es ihr an Einfluss und Relevanz fehlt.“ Es sei daher konsequent, dass die NPD von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werde.
CDU-Politiker sieht nun Ampel in der Pflicht
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, sieht jetzt die Ampel in der Pflicht. „Ob das Urteil zum Anlass genommen werden sollte, die Grundsätze auch auf andere Parteien anzuwenden und ein entsprechendes Verfahren einzuleiten, muss die Bundesregierung nun im Rahmen ihrer Verantwortung entscheiden“, sagte Throm t-online. „Unter den möglichen Antragsberechtigten liegen allein ihr alle relevanten Informationen, insbesondere solche der Verfassungsschutzbehörden, uneingeschränkt vor.“
Zur Entscheidung selbst sagte Throm: „Das heutige Urteil zeigt, dass Demokratie und Verfassungsstaat in Deutschland wehrhaft sind und wehrhaft bleiben“, sagte er. Die Hürden für ein Parteienverbot seien zu Recht hoch. „Umso besser, dass nun endlich feststeht, dass unter diesen Hürden auch ein Ausschluss von der Finanzierung in Betracht kommt für Parteien, deren qualifiziertes Vorgehen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung festgestellt ist.“
Die Chefin des CDU-Wirtschaftsflügels (MIT), Gitta Connemann, begrüßt das Urteil zwar, sieht aber keine Signalwirkung. „Das ist ein guter Tag für die Demokratie. Karlsruhe hat für Klarheit gesorgt“, sagte Connemann t-online. Das Urteil sei allerdings „keine juristische Handreichung für ein AfD-Verbotsverfahren.“
Christian Leye, Generalsekretär des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), warnt sogar vor einer solchen Interpretation des Urteils. Er finde es „grundsätzlich richtig“, wenn eine rechtsextreme Partei wie der NPD-Nachfolger ausgeschlossen werden kann. „Ich möchte gleichzeitig aber davor warnen, dieses Urteil als Blaupause in politischen Krisen zu nehmen“, sagte Leye t-online. „Wenn ein paralleles Versagen von Regierung und Opposition die AfD nach oben spült, braucht es bessere politische Antworten, welche die Menschen wieder überzeugen.“