Der Franke, der mit mehr als 50 Anzeigen Spitzenreiter sein dürfte und anonym bleiben will, musste 7.200 Euro für das erste Paket von angezeigten Beleidigungen zahlen – 90 Tagessätze zu 80 Euro. Der Strafbefehl kam zum Valentinstag, bezog sich auf 10 Postings, 13 weitere wurden eingestellt. Bei den übrigen angezeigten Beiträgen laufen die Verfahren noch. Die Anzeigen betrafen allesamt Postings zu AfD-Politikern: Mehrfach war Weidel die Verletzte, wie es juristisch heißt, aber auch Tino Chrupalla, Stephan Brandner, Alexander Gauland, Petr Bystron oder Beatrix von Storch stellten Strafanträge gegen den Mann.
Er und seine Anwältin Wende gehen davon aus, dass inzwischen gezielt bei einzelnen Nutzern die Posts aus mehreren Jahren durchforstet werden. t-online liegen neue Verfahren wegen Tweets vor, die 2022 abgesendet wurden. Weidels Sprecher Daniel Tapp erklärt auf t-online-Anfrage, in der AfD würden fremde Social-Media-Kanäle nicht durch Mitarbeiter auf Beleidigungen durchsucht. Allerdings prüfe und unterschreibe Weidel die Fälle nicht selbst, „das wäre schon aus Zeitgründen nicht möglich“. Das werde delegiert.
Der Großteil der Anzeigen in den Fällen bei Anwältin Wende ist nach deren Angaben auf Hinweise an das Portal „Hessen gegen Hetze“ zurückzuführen. Laut hessischem Innenministerium, bei dem diese Meldestelle angesiedelt ist, war Weidel als Betroffene dort auch zuletzt Spitzenreiterin. 559 Mal kam die Meldestelle im Zeitraum von November 2024 bis Januar zum Ergebnis, dass Postings zu Weidel tatsächlich mutmaßlich strafbar nach Paragraf 188 sind. „Der weit überwiegende Teil wird von uns ignoriert“, so Weidel-Sprecher Tapp.
Zu der AfD-Chefin wurde weit mehr entsprechend gemeldet als zu irgendjemand anderem – zu Friedrich Merz waren es 134 derartige Hinweise, zu Grünen-Politiker Robert 34. Die Zahlen nannte das Innenministerium im Februar dem „Tagesspiegel“, neuere Daten konnte es auf eine t-online-Anfrage von Mitte Mai zunächst nicht liefern. Nur jeder elfte Hinweis zu strafrechtlich relevanten Beiträgen kommt von einer selbst betroffenen Person: Es sind rechte wie linke Aktivisten, die der Meldestelle rege schicken, wenn sie Beleidigungen von Politikern im Netz sehen.
Nur wenige sind dabei so offen wie Patrick Kollek, der im Netz unter dem Pseudonym „Wuppi“ einer der treibenden Köpfe rechter Kampagnen ist. „Habe ich Instrumente, um meinen Gegner zu f***, dann ziehe ich sie“, erklärt er. „Ich habe das volle Recht und die Pflicht, alle Mittel zu nutzen, die mir gegeben sind.“ Manche seiner Tweets kennzeichnet er dann mit „Wuppizei“, 60 Anzeigen habe er erstattet, so Kollek zu t-online, allerdings direkt bei der Polizei. Die Verfahren dienten ihm dazu, je nach Ausgang Argumentationshilfe zu haben, wie unterschiedlich Gesetze ausgelegt würden. „Und ich will das auch mit Anzeigen ad absurdum führen.“