Die Seele baumeln lassen, das Inselflair genießen – und gleichzeitig die kleinen Schätze der Natur finden. Das geht auf Borkum besonders gut. So funktioniert es.
Steffen Wagener schlendert über den Südstrand von Borkum, mal mehr, mal weniger in gebückter Haltung. Unentwegt wandern seine Blicke über den Spülsaum. Der 55-Jährige entdeckt einen „ganzen Taschenkrebs“, von Möwen noch unbehelligt, und fotografiert ihn mit seinem Handy.
Das Foto lädt er bei „BeachExplorer“ hoch, einem Internetportal, auf dem Funde bestimmt und gemeldet werden können. Mit über 3.500 Funden führt Wagener die Rangliste der User auf dem Portal an. Er ist der „Strandfundmelder Nr. 1“ – so haben ihn die lokalen Touristiker getauft. Keiner nutzt das Portal intensiver als er.
Strandbummel im Dienste der Wissenschaft
„BeachExplorer“ macht „Strandurlauber zu Strandforschern“, sagt Rainer Borcherding. Der Biologe von der Schutzstation Wattenmeer in Husum hat die App an den Start gebracht, gefördert vom Bundesamt für Naturschutz.
Seit 2015 melden Laien aus dem gesamten Bereich des Weltnaturerbes Wattenmeer ihre Funde, stellen sie ins Internet und damit auch der Wissenschaft zur Verfügung. Projekte wie solche zählen zur „Citizen Science“ oder „Bürgerforschung“. Aktuell gibt es bei „BeachExplorer“ rund 5.700 aktive Fundmelder. Wenig überraschend, dass es häufig Menschen aus der Region sind, die sich auf die Suche machen. Bremer gelangen über den Umweg über die Niederlande auf die Insel Borkum: Von Eemshaven aus fährt die Fähre auf die Insel. Rund vier Stunden Fahrt muss man einplanen von Bremen nach Borkum.
Auch passiv lässt sich die App nutzen: um herauszufinden, was da genau vor einem am Strand liegt. Für Borcherding ist „BeachExplorer“ ein „Bestimmungsschlüssel, der einen ganzen Rucksack voller Bücher erspart“. Das eröffnet für Interessierte ungeahnte Möglichkeiten, selbst wenn man nur zum Baden oder Spazierengehen am Strand ist.
Wagener lebt seit 2015 auf Borkum und arbeitet als Rezeptionist in einem Hotel. Ehrenamtlich ist er als Nationalparkwart aktiv. Wann immer die Arbeit und das Wetter es zulassen, ist er unterwegs. „Am Strand laufen, die Augen am Boden, das ist für mich Meditation.“
- „Letztes Paradies Deutschlands“: Einzigartige Jobs auf Nordseeinseln zu vergeben
Besonders gern steuert er den Osten der Insel an, am liebsten frühmorgens, wenn noch keine Menschenseele unterwegs ist. „Wenn man Dinge sucht, die das Meer gebracht hat, ist es gut, wenn man sich kurz nach der Flut oder bei ablaufendem Wasser am Spülsaum entlang bewegt.“ Und das Meer bringt viel, vor allem, „wenn es windig war oder ist“.
Bernstein, den man eher an der Ostsee erwartet, hat Wagener schon gefunden, nach Stürmen in der kalten Jahreszeit. Im vorletzten Winter seien auch Seepferdchen angespült worden, „größtenteils tot“. Er hat aber auch ein lebendes Exemplar gefunden.
- „Spielball der Nordsee“: Gehen dem Urlaubsparadies Borkum bald die Strände verloren?
Warum die Seepferdchen nach Jahrzehnten der Abwesenheit neuerdings wieder an der Nordseeküste auftauchen, weiß auch Wagener nicht so genau. Das festzustellen ist „Aufgabe der Wissenschaftler“, die sich dabei auch auf die Meldungen bei „BeachExplorer“ stützen.
Im Grunde kann man auf der Projekt-Website so ziemlich alles melden, was einem am Strand unter die Augen kommt: Tiere, Pflanzen, ja selbst Müll. Plastikmüll meldet Wagener allerdings nur noch in Zusammenhang mit einem Schiffsunglück – es hilft, Strömungen nachzuvollziehen.
Insgesamt sind in der Datenbank mehr als 2.100 verschiedenen Arten und Gegenstände aufgeführt, unterteilt in diverse Kategorien, aber immer mit einer Kurzbeschreibung und einem „Steckbriefbild“.