„Diese Regierung ist im Grunde genommen fertig“, meint CSU-Chef Söder. Die Union hält Neuwahlen nach der Europawahl für notwendig – die Entscheidung trifft aber jemand anderes.
Die Ampelparteien haben in der Europawahl deutliche Verluste eingefahren. Die Kanzlerpartei SPD kam auf lediglich 13,9 Prozent der Stimmen und landete damit hinter der Union und der AfD auf dem dritten Platz. Die Grünen erzielten 11,9 Prozent, die FDP 5,2 Prozent.
Obwohl es das Ergebnis einer Europawahl ist, brodelt es nun auch in der Bundespolitik: Aus der Opposition werden Stimmen laut, die Neuwahlen fordern. „Diese Regierung ist im Grunde genommen fertig“, sagte beispielsweise CSU-Chef Markus Söder. Doch wie würde es zu Neuwahlen kommen und wie wahrscheinlich sind solche Szenarien? t-online gibt einen Überblick:
Bei der Vertrauensfrage hängt alles an Olaf Scholz. Mit dieser kann sich der Kanzler vergewissern, ob seine Politik noch vom Bundestag unterstützt wird. Stellt er sich im Parlament der Vertrauensfrage und wird ihm das Vertrauen dann von der Mehrheit der Bundestagsabgeordneten tatsächlich entzogen, kann Scholz den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier um die Auflösung des Bundestages und um Neuwahlen bitten. Dieser kann dann innerhalb von 21 Tagen das Parlament auflösen, sodass es neu gewählt werden muss.
Das Recht zur Auflösung des Bundestages erlischt allerdings, wenn der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen neuen Bundeskanzler wählt. Will der Kanzler den Bundestag aber gar nicht auflösen, stellt er sich einer solchen Vertrauensfrage nicht und es gibt keine Möglichkeit für Neuwahlen.
Bei dem konstruktiven Misstrauensvotum können die Bundestagsabgeordneten ohne das Zutun des Kanzlers agieren. Dabei können die Abgeordneten Olaf Scholz als Kanzler das Misstrauen aussprechen und ihn abberufen, wenn er das Vertrauen des Parlaments nicht mehr genießt. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Mitglieder des Bundestages auf einen neuen Regierungschef einigen – deshalb der Name „konstruktives Misstrauensvotum“.
In dem Fall, in dem sich die Mehrheit des Bundestages darauf einigt, den Bundeskanzler abzuberufen und sich auch auf einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin einigt, würde der Bundestag dann den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier aufsuchen, ihn bitten, den Kanzler zu entlassen und den gewählten Nachfolger zu ernennen. Steinmeier müsste dieser Bitte nachkommen.
Zweimal ist es in der Historie der Bundesrepublik zu Neuwahlen gekommen: unter den Kanzlern Willy Brandt 1972 und Gerhard Schröder 2005. Sie haben die Vertrauensfrage gestellt und sind absichtlich gescheitert, um Neuwahlen zu ermöglichen.
Für ein konstruktives Misstrauensvotum müssten aktuell entweder Grüne und FDP gemeinsam mit der Union für die Abwahl des Kanzlers stimmen oder die SPD einigt sich mit der Union auf einen neuen Kanzler. Nur so wäre eine absolute Mehrheit gegeben.
Zumindest die Wählerinnen und Wähler der Grünen stünden wahrscheinlich nicht hinter einer solchen Entscheidung. So geben 53 Prozent von ihnen laut Daten der ARD mit Infratest dimap an, mit der Bundesregierung zufrieden zu sein. Auch bei der SPD liegt die Zufriedenheit bei über 50 Prozent. Ein konstruktives Misstrauensvotum würde also zumindest bei knapp über der Hälfte der Grünen- und SPD-Wählenden nicht zu ihrer Zufriedenheit passen. Besonders unzufrieden sind hingegen die Wählerinnen und Wähler der Union, des BSW und der AfD.