Daniel Brühl spielt in der Serie „Becoming Karl Lagerfeld“, den unnahbaren, egozentrischen Modeschöpfer. Der Schauspieler verrät, was ihn und Lagerfeld verbindet.
Dunkle Sonnenbrille, weißgraue Haare, die zum Zopf gebunden sind, strenge Gesichtszüge und zynische Kommentare – so kannten viele Karl Lagerfeld. Wer er wirklich war und wie er zum weltberühmten Designer wurde, zeigt eine neue Disney-Serie. Im Gespräch mit t-online spricht der Schauspieler Daniel Brühl über Parallelen zu Lagerfelds Leben, Eigenheiten und Brüchen.
t-online: Herr Brühl, sind Sie eitel?
Daniel Brühl: Ja, ich kenne Eitelkeiten. Die durfte ich für die Rolle des Karl Lagerfeld auch nach außen kehren. Ich habe es aber mittlerweile aus Selbstschutz abgelegt, mir zu viele Gedanken darüber zu machen, was andere von mir denken. Vielleicht ist es auch Altersmüdigkeit, weil ich schon so lange bewertet werde und mich daran gewöhnt habe. Es gibt immer die, die nett sind und die, die einen hassen. Ich lasse mich nicht von jedem kritisieren. Wenn Kritik nicht konstruktiv ist, prallt sie an mir ab.
Wann ist Ihnen die eigene Eitelkeit zuletzt bewusst geworden?
Während der Dreharbeiten. Abends fühlte ich mich oft wie frittiert. Ich war erschöpft, auch davon, die ganze Zeit auf Französisch zu schauspielern. In meiner Wohnung in Paris Saint-Germain konnte ich mich unter der Dusche im Spiegel sehen. Eines Abends beobachtete ich, wie die schwarze Haarfarbe, die mir für die Rolle aufgetragen worden war, an mir herunterlief. Und dann stand ich da in dieser schwarzen Suppe. Ich sah aus wie ein Mann in seiner Midlife-Crisis, der anfängt sich die grauen Haare zu färben. Es war ein trauriges Bild.
Daniel Brühl, geboren am 16. Juni 1978 in Barcelona, ist Schauspieler. Er wuchs in Köln auf. 1995 war er der ARD-Serie „Verbotene Liebe“ zu sehen. Bekannt wurde er durch seine Rollen in „Goodbye, Lenin!“ im Jahr 2003, in „Inglourious Basterds“ (2009) von Quentin Tarantino und in „Lila Lila“ (2009), der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Martin Suter. 2021 spielte er in „Nebenan“ nicht nur eine Hauptrolle, sondern führte auch die Regie des Films, dessen Ideengeber er war. 2022 spielte er im Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ von Edward Berger mit, das mit vier Oscars ausgezeichnet wurde.
Was haben Sie dann gemacht?
Ich fing an auf Kölsch mit mir selbst zu reden, wie ein alter komischer Kauz, um wieder bei mir selbst zu sein: „Komm Jung‘, war dat heute jut?“
Sie sagten einmal, Sie hätten narzisstische Züge und gute Schauspieler bräuchten ein gewisses Maß an Narzissmus. Waren diese Züge hilfreich, um die Rolle des Egozentrikers Karl Lagerfeld zu spielen?
Ja, vielleicht habe ich damit gespielt. Neben dem sympathischen Karl, sehen wir später auch den manipulativen, den dominanten, einen, der sehr bossy ist. Er konnte einschneidend und sehr temperamentvoll werden. Das sind Aspekte, die ich auch von mir kenne.
Stand Karl Lagerfeld sich damit selbst im Weg?
Karl Lagerfeld führte ein komplexes Leben. Sein Großwerden war von Einsamkeit geprägt. Als Kind war er nicht wie die anderen Kinder. Er hat sich häufig mit sich allein beschäftigt, hat gezeichnet. Er war ein Außenseiter. Er hatte eine Mutter, die seine Homosexualität schon früh erkannte, ihn verteidigte und beschützte. Sie war gleichzeitig dominant, streng und bewertete ihn dauernd.
Wie hat ihn das als Erwachsenen geprägt?
Lagerfeld war später nicht in der Lage, sich vollkommen fallen zu lassen oder sich zu verlieren in einer Partnerschaft, in der Liebe. Er wollte die Kontrolle haben. Seine inneren Konflikte, seine unfassbare Disziplin und der Druck, etwas erreichen zu müssen, standen über allem anderen. Das stand auch seiner Liebe oft im Weg.
Von meinen Geschwistern war ich derjenige, der, wenn mir die Realität zu blass erschien, grellere Farben aufgetragen hat. Einmal erzählte ich meinem Kunstlehrer in der Schule, dass meine Familie eng sei mit Miró, dem Maler. Das beeindruckte meinen Kunstlehrer, und als ich schon drin war in der Lüge, machte ich auch damit weiter, bis meine Eltern davon erfuhren. Sie waren entsetzt. Karl kam aus einer Fabrikantenfamilie, bei der hartes Arbeiten zur Mentalität gehörte. Strebsamkeit, Druck und Erfolg richteten sich gegen das „Sich-Gehen-Lassen“ und gegen das Leben. Ich hatte zum Glück ein anderes Elternhaus, eines, in dem ich meine Mutter auch nicht „Mutti“ genannt habe und in dem das Verhältnis zu meinem Vater ein gutes ist.