In Überflutungsgebieten sagen Scholz und Söder salbungsvolle Sätze über Klimaschutz. Sobald die Gummistiefel ausgezogen sind, scheinen sie diese wieder zu vergessen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gummistiefelten am Montag durch das Flutgebiet in Bayern. Mit dieser Hochwasserkatastrophe habe niemand rechnen können, sagte Söder vor Ort. Auch wenn er seitdem für diese Aussage zu recht vielfach kritisiert wurde, verrät sie viel Wahres. Mit dem, was in den kommenden Jahren auf uns zukommt, scheinen viele Politikerinnen und Politiker kaum zu rechnen. Dabei könnten und müssten sie es.
Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise so, dass jede und jeder sie verstehen kann.
In ihrem Buch „Klartext Klima!“ – und jetzt in ihrer Kolumne bei t-online. 2022 wurde sie vom „Medium Magazin“ zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt. Hier geht es zum Autorinnen-Profil.
Denn auch wenn niemand genau voraussagen kann, wo eine Flut wann wie hoch entsteht, so ist doch klar: Extremwetterereignisse wie Starkregen werden durch die steigende Erderhitzung häufiger und heftiger.
Grundsätzlich scheint Söder davon schon mal gehört zu haben, denn er sagte auch: „Hier entstehen Ereignisse, die es vorher nicht gab.” Genau. Extremwetterereignisse können künftig jede und jeden treffen, auch wenn das bisher nicht der Fall war. Und je stärker sich die Erde erhitzt, desto wahrscheinlicher wird es. Denn das, was wir heute erleben, ist erst der Anfang.
Die Fluten haben Bayern nicht zum ersten Mal getroffen. Schon 1999, 2002 und 2005 kam es zu katastrophalen Überschwemmungen, auch 2013, 2016 und 2021. Mit Blick auf die zerstörerischen Wassermassen in Reichertshofen, südlich von Ingolstadt, schlussfolgert Söder: „Vor dem Hintergrund müssen wir uns dem Thema Klimaschutz, aber auch Klima-Anpassung, viel stärker widmen in Deutschland.“
Doch sobald die Gummistiefel wieder ausgezogen sind, scheint das vergessen. Die sprichwörtliche Hochwasser-Demenz betrifft offenbar nicht nur Bewohnerinnen und Bewohner von Überflutungsregionen, sondern auch die Politik. Kaum sind die Fluten durch, gerät in Vergessenheit – oder: wird wieder verdrängt–, wie notwendig Anpassung ist, und vor allem Prävention. Und damit: Klimaschutz.
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Quelle: t-online
Zur Erinnerung: Söder ist Ministerpräsident des größten Flächenlandes in Deutschland, es liegt zumindest in Bayern also durchaus auch in seiner Hand, ob genug passiert, oder nicht. Stattdessen blockiert er in den Ausbau der Windkraft, der Freistaat ist Schlusslicht im deutschlandweiten Vergleich.
Für Olaf Scholz war es bereits der vierte Besuch in einem Hochwassergebiet in Deutschland in diesem Jahr, und wir haben gerade mal Anfang Juni. Die Menschen in Deutschland müssten sich vermehrt auf Naturkatastrophen einstellen, sagte Scholz, besonders auf Hochwasser. Gleichzeitig mahnte er, die „Aufgabe, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten“, dürfe nicht vernachlässigt werden. Die Frage ist nur, an wen richtete sich diese Mahnung?
Denn passenderweise kritisierte am selben Tag der Expertenrat für Klimafragen die Klimapolitik der Bundesregierung, also die von Olaf Scholz (!). Der Einschätzung der Experten nach sei die vor ein paar Wochen freudig verkündete Prognose, dass die Bundesregierung ihre Klimaziele bis 2030 einhalten könne, nicht überzeugend. Warum sie mich nicht überzeugte, habe ich damals hier erklärt. Kurz nach der Jubelmeldung hatte schon der Sachverständigenrat für Umweltfragen Wasser in den Wein gekippt und verkündet, dass Deutschland sein CO₂-Budget für das 1,5-Grad-Limit bereits aufgebraucht habe. Es kann also nur ein Appell an sich selbst gewesen sein.
Ja, wir bräuchten dringend einen Klimakanzler. Nicht nur wegen der vielen Hochwasser, bei denen Menschen sterben und Milliardenschäden entstehen. Auch wegen Meldungen wie diesen: Die Nordsee war 2023 so warm wie nie zuvor seit Aufzeichnungsbeginn. Kartoffeln sind gerade knapp und teuer – die Ursache sind auch hier nicht einfach nur „Wetterkapriolen“, sondern: die Klimakrise. (Ähnlich sieht es bei Wein aus, oder bei Olivenöl.)