Bis 2020 wollte Bayern sieben Flutpoldern zum Hochwasserschutz errichten. Bis heute sind zwei davon verwirklicht.
Bayerns Staatsregierung hat über zwei Jahrzehnte nach dem Beschluss zum Bau von sieben großen Flutpoldern zum Schutz vor extremen Hochwassern erst zwei dieser Projekte verwirklicht. Das bestätigt das Umweltministerium in München auf Anfrage. „Der Polder Weidachwiesen ist in Betrieb und wurde auch aktuell genutzt. Der Polder Riedensheim ist einsatzbereit“, teilte eine Sprecherin mit.
„Solche Projekte erfordern umfangreiche Planungen und anschließende Baumaßnahmen und benötigen deshalb Zeit“, betont Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler). Geplant war die Fertigstellung aller sieben Polder bis 2020, wie in einem Bericht des Landesamts für Umwelt zum Flutpolderprogramm aus dem Jahr 2018 nachzulesen.
Ausbau von Flutpoldern wurde gestrichen
Derzeit steht insbesondere Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger in der Kritik, der ehedem neben „Monstertrassen“ auch „größenwahnsinnige Flutpolder“ bekämpfte. In ihrem ersten Koalitionsvertrag 2018 hatten CSU und Freie Wähler deswegen die geplanten großen Donaupolder Bertoldsheim und Eltheim/Wörthhof gestrichen, die vor Ort von etlichen Bürgern bekämpft werden. Aiwanger, Freie Wähler und die Staatsregierung insgesamt sind deswegen mit dem Vorwurf konfrontiert, am Hochwasserschutz gespart zu haben. 2021 machte die CSU/FDP-Koalition das wieder rückgängig und erweiterte die Polderpläne auf neun Standorte.
Sowohl die Freien Wähler als auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) haben die Vorwürfe zur Falschnachricht erklärt. „Seit 2001 haben wir vier Milliarden Euro investiert, bis 2030 werden weitere zwei Milliarden investiert werden in den Hochwasserschutz, und jährlich geben wir eine Milliarde für den Klimaschutz aus“, sagte Söder am Dienstag nach der Kabinettssitzung. Umweltminister Glauber – der im Gegensatz zu seinem Parteichef Aiwanger nie gegen die Polder Front machte – betont: „Flutpolder wirken als Notbremse für Katastrophenhochwasser und sind im Katastrophenfall notwendig.“
Doppelt so viel investiert
Das von Söder genannte Jahr 2001 bezieht sich auf das „Hochwasser-Aktionsprogramm 2020“, verkündet vom damaligen Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) vor etwas mehr als 23 Jahren: am 8. Mai 2001. Anlass war das große Pfingsthochwasser 1999. In der Tat hat die Staatsregierung seither nahezu doppelt so viel Geld in den Hochwasserschutz investiert als die damals angekündigten knapp 2,3 Milliarden Euro.
Mit dem vielen Geld wurde der Hochwasserschutz in vielen Kommunen verbessert, Deiche rückverlegt, Ausrüstung für die Feuerwehr beschafft, am Oberlauf der Isar die Staumauer des Sylvensteinspeichers erhöht, um Bad Tölz, München, Freising und andere Städte vor Überflutung zu schützen, und etliches mehr.
Gefahr von Hochwassern steigt
Doch der Bau der Flutpolder lahmt – und genau diese Polder sind es, die Bayern vor der befürchteten extremen Hochwasserkatastrophe an der Donau schützen sollen. Grund der Verzögerungen ist der vehemente Widerstand vor Ort. „Regieren ist kein Spaß und deswegen muss man da eben entsprechend sich einsetzen“, sagte Söder dazu.
Dabei ist die Gefahr eines solchen Extremhochwassers in den vergangenen zwei Jahrzehnten offenkundig gestiegen. Der Rückversicherer Munich Re dokumentiert Naturkatastrophen rund um den Globus, demnach nimmt sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität großer Überschwemmungen zu. „Es geht um die Sicherheit von 120.000 Menschen entlang der Donau und ein Schadensvolumen von über neun Milliarden Euro“, sagt Umweltminister und Polderbefürworter Glauber. Die neun Milliarden sind eine Berechnung aus dem Jahr 2018 für den maximalen Schadenfall.
Überschwemmungsgebiete wurden zu Bauland
Und die Gefahr an der Donau wächst auch aus einem ganz anderen Grund: Immer mehr Menschen wohnen in der Nähe des Flusses. Allein zwischen 1994 und 2014 wuchs die Bevölkerung dort um knapp zehn Prozent, bis 2034 wird mit weiterem Wachstum gerechnet, wie das Landesamt für Umwelt in seinem Polderbericht festhielt.
Viele Kommunen entlang der Donau und ihrer Zuflüsse haben über Jahrzehnte Baugebiete in überschwemmungsgefährdeten Gebieten ausgewiesen. In diesem Punkt sind sich Naturschützer und Versicherungen einig: Die Besiedlung von Hochwasserzonen ist unsinnig, die Folge sind immense Kosten ebenso wie menschliches Leid, wenn die Überschwemmung eines Tages eintritt. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) fordert ein – deutschlandweites – Bauverbot in solchen Gebieten. Söder lehnt das ab.