Zwei Wochen vor Beginn der Fußball-EM in Deutschland sieht sich die Deutsche Bahn für die reisenden Fanmassen gewappnet. So will sie für Sicherheit sorgen.
Obgleich der Hochwasserschäden blickt DB-Personenfernverkehrsvorstand Michael Peterson optimistisch auf die anstehende Fußball-Europameisterschaft. „In der kommenden Woche wollen wir auf den Hauptstrecken wieder alle Zugfahrten und damit auch das volle Sitzplatzangebot anbieten“, sagte er in einem Pressegespräch. „Das wird für unsere Teams ein echter Kraftakt“, so Peterson mit Blick auf die verbleibende Zeit von zehn Tagen.
„Wir bieten aktuell nicht die Bahn, die Deutschland verdient hat“, sagte Peterson und verwies auf den hohen Investitionsstau im Netz. Die wichtigen Magistralen zwischen den deutschen EM-Austragungsorten sollen aber bis zum Beginn des Turniers am 14. Juni wieder freigegeben sein. Die Fahrt von Frankfurt am Main nach Berlin dauere dann wieder unter vier Stunden, kündigte der Fernverkehrsvorstand an. Auch andere Bauprojekte will das Unternehmen während der Zeit des Turniers auf ein Minimum reduzieren. Einen Tag nach dem EM-Finale soll dann mit der Generalsanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim die Modernisierung des bundesweiten Streckennetzes in Teilabschnitten starten.
Tausende zusätzliche Sitzplätze und Reservierungspflicht
Alle verfügbaren 410 ICE sollen während der Fußball-Europameisterschaft der Männer fahren, darunter 14 EM-Sonderzüge täglich. 10.000 zusätzliche Sitzplätze am Tag will die DB zur Verfügung stellen. Dazu schichtet die Bahn um: An jenen Strecken, auf denen mehr Bedarf erwartet wird, kommen auch längere Züge zum Einsatz, die normalerweise andere Strecken bedienen. Auf einigen Strecken wird es auch eine Reservierungspflicht geben – mehr dazu lesen Sie hier.
Grundsätzliche Reservierungspflicht?
„Für uns gibt es aktuell keinen Grund, die Reservierungspflicht national einzuführen oder dahingehend auszudehnen“, sagte Peterson. Er verwies auf viele Produkte ohne Zugbindung wie den Flexpreis, Monatsabos oder die Bahncard 100, bei denen die Kunden die Flexibilität schätzten. „Wir haben in Deutschland einfach ein grundlegend anderes Fernverkehrskonzept, als es beispielsweise Frankreich, Spanien oder Italien hat“, erläuterte er. In Deutschland würden Züge deutlich häufiger halten, der Durchsatz an Fahrgästen sei viel höher. „Weniger als ein Prozent unserer Züge, die wir im Jahr fahren, sind überhaupt nur in einem Auslastungsgrad, dass eine Reservierung helfen würde. Und ich muss nicht in 99 Prozent der Zugfahrten die Gäste an Bord bestrafen dafür, dass ich einem Prozent vielleicht was Gutes tun möchte.“
Auch im Nahverkehr soll es „bedarfsorientiert“, wie es von der DB heißt, zusätzliche Halte, längere Züge bis hin zu Zusatzverkehren wie Sonderzugfahrten geben. Eine Besonderheit ist die EM-Linie, die während des gesamten Turniers von vormittags bis nach Mitternacht stündlich alle vier Spielorte in Nordrhein-Westfalen verbindet – von Köln über Düsseldorf, Gelsenkirchen und Dortmund.
Fantickets und spezielle Bahncard
Peterson prognostizierte, die Auslastung der Züge werde rund um die großen Städte deutlich zunehmen und wies auf den Erfolg des DB-Fantickets hin: 100.000 dieser Fahrkarten seien bereits verkauft worden. Inhaber einer Eintrittskarte für ein Spiel können für 29,90 Euro reisen. Dazu wurden 25.000 Fan-Bahncards bestellt, die sich im Fall eines Sieges der deutschen Nationalmannschaft kostenfrei um ein Jahr verlängern. Zudem wurden 4.000 Interrail-Pässe mit 25 Prozent Nachlass an Fußballfans aus dem Ausland verkauft.
Sicherheit ein wichtiges Thema
Neben Willkommensschaltern an den Bahnhöfen und zusätzlichem Reinigungs- und Wartungspersonal setzt die DB für die Sicherheit rund um die Uhr 6.000 Beamte der Bundespolizei und 4.500 Kräfte von DB Sicherheit an Bahnhöfen und in Zügen ein. Laut eigenen Angaben hat die Bahn den Pool an Kräften um 900 Personen, also 20 Prozent, aufgestockt. Nach Gesprächen mit der Eisenbahngewerkschaft EVG sollen zudem 350 internationale Polizeikräfte zum Einsatz kommen.
Allein in den Fernverkehrszügen wird die DB während der Gruppenspielphase, wenn viele Reisende unterwegs sind, die Zahl der Kräfte von DB Sicherheit verdreifachen. Wenn mehrere Spiele an einem Tag gespielt werden, soll die Zahl sogar vervierfacht werden. „Wo wir sehen, dass es Schwerpunktstrecken gibt, auf denen wir mehr randalierende Fans erwarten können als auf anderen Strecken, setzen wir dann auch gezielt mehr Sicherheitspersonal ein“, so Peterson. Außerdem werden an und in den Bahnhöfen der Gastgeberstädte zusätzliche Reisendenlenker (koordinieren die Fahrgästströme und kümmern sich darum, dass alle in den richtigen Zug einsteigen) und Freiwillige eingesetzt. Das Thema Sicherheit sei auch ein „Dauerthema“ bei Schulungen für das Zugpersonal, sagte Peterson.
Fernverkehrschef kontert schottischem Fanverband
Nach den Hinweisen des schottischen Fußballverbandes an seine Fans, lieber einen Zug früher zu nutzen, unterstützt Peterson diese Aussage als „vernünftigen Rat“. Auch er rät dazu, einen Zeitpuffer für Bahnfahrten einzuplanen: „Mit dem Auto fährt man auch nicht vier Stunden vor Spielbeginn los, wenn man weiß, dass die Fahrt vier Stunden dauert“, so der Fernverkehrsvorstand.