Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will das Strafmündigkeitsalter herabsetzen. Denn immer mehr Jugendliche würden kriminell. Vor allem der Medienkonsum sei problematisch und müsse reguliert werden.
Seit einigen Jahren müssen wir in Deutschland feststellen, dass die Gewaltbereitschaft auch bei Minderjährigen zunimmt. Das hat unter anderem der Fall Luise gezeigt. Eine 12-Jährige wurde von zwei gleichaltrigen Mitschülerinnen erstochen. Doch wirkliche Konsequenzen blieben aus. Einen Strafprozess gab es nicht, weil beide mutmaßliche Täterinnen noch keine 14 Jahre alt und damit noch nicht strafmündig waren. Wir dürfen so etwas nicht akzeptieren.
Zumal die Zahl jugendlicher Straftäter im vergangenen Jahr regelrecht in die Höhe geschnellt ist. So wurden 2023 über 100.000 tatverdächtige Kinder ermittelt. Das sind 43 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Immer wieder gibt es neue Fälle brutaler Jugendgewalt. Hinzu kommen Hinweise, dass schon Grundschüler Messer mit sich tragen. All das lässt befürchten, dass diese Entwicklung in Zukunft eher weiter voranschreiten wird.
Es ist daher an der Zeit, eine offene Debatte über die Herabsetzung der Strafmündigkeit zu führen. In der Schweiz etwa beginnt die Strafmündigkeit ab einem Alter von 10 Jahren. Doch bevor wir eine neue Rechtslage schaffen, braucht es eine breit angelegte Studie zu der Frage, ob sich der Reifungsprozess der Kinder und Jugendlichen nach vorne verschoben hat. Sollte das der Fall sein, dann muss die Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre kommen.
Jugendliche Straftäter müssen Konsequenzen spüren, und zwar so rasch wie möglich. Denn nur wenn die Strafe auf dem Fuße folgt, kann sie auch größtmögliche Wirkung entfalten, Wiederholungstaten vorbeugen und damit auch potenzielle Serientäter-Karrieren verhindern.
Heimunterbringung flächendeckend zur Verfügung stellen
Gleichzeitig müssen wir mit Blick auf die zunehmende Verrohung und Gewaltbereitschaft eine mögliche Verschärfung des Jugendstrafrechts prüfen. Das bedeutet keinesfalls, dass Kinder und Jugendliche zu erwachsenen Schwerverbrechern ins Gefängnis gehören. Allerdings brauchen wir kinder- und jugendgerechte Strukturen, die an Klarheit und Strenge nichts vermissen lassen.
Konkret heißt das zum Beispiel: In schweren Fällen muss es leichter werden, Kinder und Jugendliche aus ihrem gewohnten Umfeld herauszunehmen. In schweren Fällen muss die Möglichkeit der geschlossenen Heimunterbringung flächendeckend zur Verfügung gestellt werden. Viele Familienrichter fordern das bereits seit Jahren. Hier können und sollen die jugendlichen Straftäter ein Sozialverhalten lernen, das sie in ihrem familiären Umfeld nicht vermittelt bekommen. Maßnahmen dieser Art sind weniger Strafen als Chancen auf Zukunft.
Damit komme ich zu einem Punkt, der bei diesem Thema besondere Berücksichtigung erfahren sollte: die Rolle der Eltern. Laut Grundgesetz haben Eltern nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Es ist ihre Aufgabe, die eigenen Kinder zu respektvollen und empathischen Mitmenschen zu erziehen. Das heißt unter anderem: Sie tragen Sorge dafür, dass ihre Kinder in die Schule gehen. Dass sie nicht auffällig werden – weder durch Schulschwänzen noch durch das Bedrängen anderer Kinder, Respektlosigkeiten gegenüber dem Lehrer oder durch kleinere Delikte im öffentlichen Raum. Hier muss mutiger durchgegriffen werden.
Eskalativen Medienkonsum einschränken
Wir brauchen also nicht nur eine Ansprache der Kinder und Jugendlichen, sondern auch der Eltern. Dafür kann es zielführend sein, den zuständigen Behörden ein breites Instrumentarium an Maßnahmen an die Hand zu geben. In manchen Fällen hilft womöglich schon ein Termin bei der Jugendhilfe. In anderen Fällen könnten Geldbußen wirken. Und dann wird es sicherlich auch Fälle geben, in denen es komplexere Maßnahmen braucht, und zwar in Form von Erziehungs-, Gewaltpräventions- oder auch Integrationskursen. Hier muss eine Verpflichtung der Eltern möglich sein.
All diese Punkte sind wichtig. Aber: Sie allein werden nicht reichen, um die zunehmende Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen zu brechen. Es braucht dringend eine Debatte über den Medienkonsum und die Nutzung sozialer Medien wie TikTok in Deutschland. Die Zeit, die unsere Kinder und Jugendlichen mit diesen Medien inzwischen verbringen, ist besorgniserregend. Laut einer Studie der DAK-Gesundheit hat mittlerweile fast ein Viertel der Heranwachsenden ein problematisches Nutzverhalten mit sozialen Medien. Die Zahl hat sich damit seit 2019 verdreifacht.
Das ist dramatisch. Vor allem, wenn man weiß, was sich viele junge Menschen inzwischen anschauen. Da werden Tiere gequält, Menschen geköpft, und das alles wie am Fließband. Glaubt tatsächlich irgendjemand, dass so etwas spurlos an unseren Kindern vorbeigeht?
Wir haben in diesem Bereich noch eine Menge zu tun, und zwar auf mehreren Ebenen. Insbesondere in den Bereichen Medienkompetenz und Medienregulierung. Vielleicht fangen wir doch schon mal klein an: mit einem flächendeckenden Handyverbot an allen Grundschulen in ganz Deutschland.